Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Blühen. Tatsächlich wurde Hayward bald von einer neugierigen Dame unter dem Siegel der Verschwiegenheit nach dem Grund von Miss Hawthornes Tränen befragt. Hayward, der die Zudringlichkeit der Dame, die sich eine Freundin seiner Mutter nannte, selbstredend längst kannte, erwiderte mit diskret gesenkter Stimme: "Miss Hawthorne befindet sich noch in Trauer." "Aber warum geht sie denn dann schon auf Bälle?", wunderte sich die Dame. "Sie wollte ja gar nicht kommen", informierte Hayward sie schamlos, "ich hatte die größte Mühe sie zu überreden und musste schon fast Zwang anwenden." "Ja", seufzte die Dame, "da haben Sie Recht getan. Sich im Trauerfall zu sehr zu Hause zu verkriechen, tut der Seele gar nicht gut."
Auch ein vorwitziges Dämchen, das nach einem hitzigen Tanz noch an Jeremys Arm hing, wagte die neugierige Frage. Jeremy, der von den Tränen seiner Schwester überhaupt nichts bemerkt hatte, allerdings die Neigung junger Damen kannte, eine romantische Version zu bevorzugen, ließ sich zu der Indiskretion hinreißen, Miss Hawthorne und der Mann ihrer Liebe (ein französischer Vicomte), seien durch tragische Umstände getrennt worden, so dass ihre Verbindung nicht mehr möglich gewesen sei.
Während Hazel als einzige nichts davon ahnte (denn selbstverständlich besaß niemand die Taktlosigkeit, sie zu fragen), mischten sich die beiden Versionen in den eifrig weitergeflüsterten Botschaften unter der Tanzgesellschaft und der arme unbekannte Vicomte wurde von den Anwesenden innerhalb kürzester Zeit unter schrecklichen Umständen zu Tode gebracht.
Durch diesen romantischen Nimbus auch für die Herrenwelt interessant geworden, traten vor Hazel in der Folge etliche eifrige Anwärter, die sich um den nächsten Tanz bewarben, so dass Hayward wenig später tatsächlich Mühe hatte, noch einen zweiten Tanz mit Hazel zu ergattern, und ihm dies eigentlich nur deshalb gelang, weil er als Sohn des Hauses in der Lage war, den Musikern abzuverlangen, dass sie noch ein zusätzliches Musikstück in die Liste der vorgesehenen Tänze einschoben.
Zu Haywards Verwunderung schien Hazel bei ihrem zweiten Tanz keineswegs weniger aufgeregt zu sein, im Gegenteil weigerte sie sich, auf die andere Seite des Saals, die Hayward angesteuert hatte, mitzukommen.
"Was gibt es denn jetzt schon wieder?", erkundigte er sich leise.
"Lady Wineyard sitzt dort drüben!", flüsterte Hazel in Panik zurück. "Sie war auf dem Ball bei Lady Irvin und wird mich wiedererkennen! Ihre beiden Töchter sind auch hier!"
"Bleiben Sie ruhig!", mahnte Hayward. "Lady Wineyard war den ganzen Abend wegen des Überfalls völlig durcheinander. Erstens hat sie kaum den Ballsaal betreten und zweitens wird sie nur dann auf Sie aufmerksam, wenn Sie sich weiterhin so seltsam benehmen!"
Hazel bemühte sich, seiner Anweisung Folge zu leisten, aber sie konnte sich nicht enthalten, während des ganzen Abends über ängstliche Blicke in die Richtung der Wineyards zu werfen.
Hayward hingegen hatte Lady Wineyard ziemlich unterschätzt. Sie mochte tausendmal von Banditen überfallen und beraubt worden sein, aber sie war bei allem doch in erster Linie Mutter, eine Mutter überdies, die entgegen jeder Vernunft die Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben hatte, Hayward werde ihrer jüngeren Tochter (die gemeinhin als die hübschere von beiden galt) einen Heiratsantrag machen. So war es ihr selbstverständlich zu Ohren gekommen, dass Hayward auf Lady Irvins Ball mit sichtlichem Vergnügen mit einer Miss Hawthorne getanzt hatte, und hatte sich damals im späteren Verlauf des Abends besagtes Mädchen zeigen lassen.
Als nun das Ondit von einer Miss Hawthorne die Runde machte, die in Trauer um ihren verstorbenen Verlobten an Haywards Schultern Tränen vergossen hatte (ja – so weit war das Gerücht inzwischen schon gegangen!), fragte Lady Wineyard die Dame, die ihr die Kunde zugetragen hatte, erstaunt: " Das ist Miss Hawthorne?" Lady Burchington versicherte ihr, dass dies der Fall sei.
"Nun", meinte Lady Wineyard, "bei Lady Irvins Ball auf Greystoke Hall war eine Miss Cecily Hawthorne, aber das war nicht dasselbe Mädchen."
"Na, dann muss das hier ihre ältere Schwester sein", überlegte Lady Burchington, "denn sie ist allen als "Miss Hawthorne" vorgestellt worden und ich bilde mir ein, dass mir jemand gesagt hat, sie habe gehört, dass Lord John sie mit "Viola" angeredet hat."
"Er nennt sie beim Vornamen?", entsetzte sich Lady Wineyard mit mütterlicher Eifersucht. (Sie
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