Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
eben breit genug war, dass sie ihren Fuß darauf stellen konnte. Die kühle Luft tat wohl. Hazel blickte hinunter auf die Straße, in der die Fuhrwerke der Lieferanten auch um diese Uhrzeit unterwegs waren.
"Ich hätte nie gedacht, dass sich hinter diesem frechen Bengel von Matthew ein solch unsicheres Pflänzchen verbirgt", brummte er.
" Sie wollten doch ein Zierpüppchen haben!", stieß sie erbittert hervor, und unter Tränen trotzig: "Jetzt haben Sie eins!"
"Ich hab Sie nie gebeten, dass Sie für mich ein Zierpüppchen geben", knurrte er, "und ein zimperliches schon gar nicht."
Hazel drückte die Fingerspitzen auf die Innenseite der Augen.
Er reichte ihr sein Taschentuch. "Hier", sagte er. "Da Sie so fest entschlossen sind, Ihre ganze Toilette zu verderben ..."
Hazel nahm das Taschentuch nach einigem Zögern an und tupfte sich rasch die Augen trocken.
Er stützte sein Hände auf die Brüstung und betrachtete angelegentlich den Verkehr.
"Warum können Sie nicht tanzen?", fragte er, sobald Hazel sich einigermaßen gefasst hatte. "Sind Sie unmusikalisch?"
"Ich glaube nicht", schniefte Hazel. "Ich spiele leidlich Klavier und bin hin und wieder von verschiedenen Leuten gebeten worden, noch ein zweites Lied zu singen."
"Dann kann’s daran nicht liegen. Beim Fechten sind Sie ziemlich geschickt und verdammt flink, also haben Sie auch nicht zwei linke Füße."
"Wenn ich allein tanze, geht es ja auch."
"Aha. Da haben wir’s: worauf achten Sie beim Tanzen am meisten?"
"Auf die Musik natürlich."
"Hm – ich sehe, Sie wurden sehr idealistisch erzogen", erwiderte er ohne eine Miene zu verziehen. "Aber beim Tanzen mit Männern ist Musikalität eher hinderlich."
Er trat zurück in den Flur und streckte fordernd seine Hand aus. "Kommen Sie her, lassen Sie uns gleich überprüfen, ob meine Vermutung stimmt: Wir können hier die Musik etwas gedämpft hören, das wird Ihnen helfen, nicht auf sie zu achten. Achten Sie nur auf den Herrn und die Zeichen, die er Ihnen gibt."
Und da er der Herr war – und zufällig nicht einmal besonders unmusikalisch - ergab es sich, dass Hazel es im Gegensatz zu früheren Erfahrungen mit ihren sonstigen Tanzpartnern diesmal gar nicht schwierig fand, sich ihm anzupassen.
"Was ich sage", stellte er fest, "Bauerntölpel, die Ihnen über die Füße gestolpert sind. Und wenn dann noch dazu kommt, dass Sie sich Gedanken gemacht haben, ob Sie ihn beschämen, nur weil Sie ihn um eine halbe Kopflänge überragen, dann war die Misere mit der Bohnenstange natürlich perfekt."
Hazel errötete verlegen. "Das haben Sie sich gemerkt?"
Er lächelte. "Ja. Das hat sich mir natürlich eingeprägt", meinte er mit seltsamer Betonung.
Hazel ging ein Licht auf. "Das war der Satz, der mich damals verraten hat – oder?"
Er grinste. "Da Sie selbst ja nicht klein sind, fand ich diese Bemerkung gleich irritierend. Aber erst später ging mir auf, dass dahinter die Sichtweise eines großen Mädchens steht."
Die Musik endete.
"Was ist nun, Viola ?", fragte er. "Wollen Sie Ihre Ranken hier noch länger über das Geländer winden oder sich nicht lieber überwinden und Ihre ranke Gestalt an meiner Brüstung festhalten?"
Hazel, die in Wahrheit nichts anderes wünschte, als auf der Stelle nach Hause zu fahren, seufzte: "Also gut. Gehen wir in den Saal zurück."
Und als die Musiker zum nächsten Tanz ansetzten und Hayward ihr auffordernd die Hand hinstreckte, legte Hazel nervös ihre Finger in die seinen. Passend zum Takt setzte sie zum ersten Schritt an, aber Hayward hielt sie fest und verhinderte dadurch eben noch, dass sie mit einem übereifrigen Herrn hinter ihr zusammenstieß. "Was hab ich gesagt?", knurrte er leise. "Achten Sie auf mich , nicht auf die Musik!"
Hazel presste die Lippen zusammen und konzentrierte sich darauf, jede von Haywards Bewegungen wahrzunehmen. Sie hatten auf diese Weise schon eine Runde mit Bravour hinter sich gebracht, als Hayward sie anlächelte und meinte: "Sie können jetzt allmählich wieder anfangen zu atmen."
Auf einem "kleinen, zwanglosen Tanzabend" bei der Herzogin von Richmond zu erscheinen und von ihrem Sohn zum ersten Tanz aufgefordert zu werden, hätte ja schon ausgereicht, um das Mundwerk etlicher anwesender Damen in Gang zu setzen. Aber noch vor Beginn des Tanzes mit besagtem Herrn aus dem Saal zu verschwinden, um am Ende des Flurs – für alle sichtbar – an der Seite des begehrten Herrn Tränen zu vergießen, das brachte die Fantasie aller Anwesenden zum
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