Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
lehnte das freundliche Angebot, Platz zu nehmen und einen Kaffee zu trinken, höflich ab und sagte an Hazel gewandt: "Ich fahre raus nach Whitechappel zu einem Pferderennen. Haben Sie Lust mitzukommen?"
Hazel hob ihr Kinn trotzig an. "Nein!", erwiderte sie abweisend.
"Schade", sagte Hayward und wandte sich an Jeremy: "Und Sie?"
"Ich?" Jeremy schaute ihn ungläubig an. "Sie würden mich mitnehmen?"
"Ja, natürlich."
"Ich zieh mir nur meine Stiefel an!", rief Jeremy begeistert und war schon zur Tür hinaus und die Treppe hoch.
Hazel biss die Zähne zusammen. Eine wilde Mischung aus Eifersucht, Wut auf sich selbst und Hass auf Hayward, weil er ihr mit Sicherheit absichtlich diese Lehre erteilte, überfiel sie unvernünftigerweise und mit unerwarteter Heftigkeit.
Mrs. Hawthorne ließ ihre Blicke zwischen Hazel und Hayward hin und hergehen. "Ich glaube, der Hausbursche hat die Stiefel noch unten", meinte sie, "Jeremy wird sie gar nicht finden!", und eilte, ganz die besorgte Mutter vorschützend, hinaus.
Hazel schwieg verbissen.
Also ergriff Hayward das Wort. "Damit Sie nicht denken, ich sei absichtlich gemein zu Ihnen: Ich fahre zwar mit dem Zweisitzer, aber er hat für eine dritte Person einen Klappsitz in Fahrtrichtung. Man sitzt darauf nicht unbequem und vor allem sieht man vom Fahrer nur den Rücken und ist daher nicht gezwungen, sich mit ihm zu unterhalten."
"Vielen Dank für das Angebot", erwiderte Hazel steif. "Aber ich bin an Pferderennen nicht interessiert."
"Woran dann?", fragte er. "Ich würde mich freuen, wenn Sie mir einen Tipp gäben."
"Was wollen Sie eigentlich?", zischte Hazel wütend.
"Seltsam", entgegnete er ruhig, "genau dasselbe wollte ich Sie fragen."
Jeremy kam die Treppe heruntergepoltert.
"Da bin ich!", rief er atemlos. "Geht’s gleich los?"
"Ja."
Das war das Letzte, was Hazel von Hayward hörte. Von Hayward persönlich, besser gesagt, denn natürlich kehrte Jeremy abends nach einem offenbar aufregenden und erfüllten Tag zurück und quoll nur so über vor Begeisterung. Hazel hatte es schon nach kurzer Zeit herzlich satt, ständig Sätze hören zu müssen, die mit "Hayward sagt" begannen und dann nicht viel erfolgversprechender weitergingen.
Selbst in den folgenden Tagen war Jeremys Gegenwart noch einigermaßen unerträglich.
Ein paar Tage später bekam Lady Burchington von anderer Seite zugetragen, dass Cecily Hawthorne in Greystoke Hall Lord John Haywards Interesse geweckt hätte. Und so kam es, dass Lady Burchington, die Lady Wineyard wegen einer länger zurückliegenden Geschichte noch eins auszuwischen hatte, beschloss, dass eine Miss Cecily und ein Mr. Jeremy Hawthorne ihre Abendgesellschaft, zu der bereits Lord John Hayward und die Wineyards eingeladen waren, durchaus bereichern könnten.
Ihre diesbezügliche Einladung führte in der Jermyn-Street, wie man sich denken kann, zu einiger Erheiterung. Hazel war hingegen gleich der Meinung, man solle die Einladung absagen. Aber Jeremy fand durchaus Vergnügen an der Vorstellung hinzugehen. "Seht es doch mal praktisch", meinte er. "Auf Greystoke Hall ist mir Hazels Fächer zerrissen. Wenn wir zu Lady Burchington hingehen, können wir uns dick und rund essen und für das Geld, das wir deshalb gespart haben, kaufen wir für Hazel einen neuen Fächer."
"Den ich nicht brauchen werde", knurrte Hazel, "weil ich fest entschlossen bin, auf keinen weiteren Ball zu gehen."
"Dann gehe ich eben als Mädchen dorthin und du kannst als Junge mitkommen, denn als Mädchen brauche ich eine Begleitung."
"Dann nimm Mama mit!"
"Die Einladung ist aber für Jeremy. Es ist einfach logischer zu sagen, dass Jeremy nicht konnte und dass du deshalb an seiner Stelle mitgekommen bist."
Die Auseinandersetzung endete erst zwei Tage später damit, dass Mrs. Hawthorne angesichts der neuen Rechnung des Gemüsehändlers entschied, Jeremy habe Recht.
Lady Burchington hatte sogar die Freundlichkeit, ihre Kutsche zu schicken.
Nachdem Hazel lustlos den Tritt hinabgeklettert war und Jeremy die Hand hingehalten hatte, damit er in seinem reifrockgestützten Abendkleid aussteigen konnte, schritt er an ihr vorbei und zischelte: "Mach bloß nicht so eine saure Miene!"
Hazel riss sich zusammen.
Die Tür zu Lady Burchingtons Stadthaus war weit geöffnet, Lakaien in dezenter Farbgebung standen hilfreich bereit, um Mantel, Hut und Degen abzunehmen.
Jeremy entschwebte bereits graziös. Als Hazel hinter ihm ins Haus trat, blickte sie sich bewundernd um und
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