Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Mal eine Menge gebraucht hatte, für die eine ganze Allee von Mandelbäumchen hatte herhalten müssen. Während noch ihr kritischer Blick auf dem Fläschchen ruhte, fühlte sie sich plötzlich einem missbilligenden Blick des Kammerdieners ausgesetzt.
"Muss uns der Kerl die ganze Zeit hinterher laufen?", knurrte sie leise, während sie die Straße überquerten, um zu Haywards Kutsche zu gelangen, die dem Fechtclub gegenüber wartete. "Warum können Sie Ihre verdammten Sportsachen nicht einfach selbst tragen!?"
Hayward grinste. "Das könnte ich schon", gab er zurück, "aber wenn ich es täte, würden sich womöglich alle Leute im Fechtclub fragen, wozu ich dann meinen Kammerdiener mitbringe. Und eben das will ich vermeiden."
Er machte Stafford, seinem Kutscher, ein Zeichen. "Ich gehe mit Mr. Hawthorne noch ein bisschen zu Fuß", erklärte er, woraufhin die Kutsche anfuhr und mitsamt Kammerdiener und der Fechtkleidung verschwand.
"Das ist Gaston", raunte Hayward, sobald der Wagen um die Ecke gefahren war. "Er spioniert für mich im Fechtclub immer die neuesten Ondits und andere Geheimnisse aus. Ich habe ihn vor zwei Jahren auf offener Straße dabei erwischt, wie er mir meine Brieftasche aus dem Anzug stehlen wollte. Er saß wegen Diebstahl, Hehlerei und Betrug im Gefängnis. Er ist in gewissen Dingen unglaublich begabt und verdammt professionell. Er kann innerhalb weniger Sekunden jedes Schloss knacken, ohne dass man später Spuren davon entdecken kann. Dabei ist er kein gewissenloser Mensch. Er hat jedes Mal unglaubliche Skrupel, wenn er irgendwo einbricht, was, wie man sich denken kann, dabei eher hinderlich ist. Aber das alles dürfen Sie niemandem weitererzählen, auch nicht Ihrem Bruder, haben Sie verstanden? Erstens wäre Gaston sehr gekränkt, wenn er davon erführe, und zweitens weiß es sonst niemand, nicht einmal meine eigene Mutter."
"Warum verraten Sie es dann mir?", fragte sie.
"Damit Sie auch mal was in der Hand haben, mit dem Sie mich erpressen können", lächelte er.
Hazel versuchte vergeblich, in seinen braunen Augen einen Anhaltspunkt dafür zu finden, ob er sie nicht bloß zum Besten hielt. Sie konnte sich nämlich nicht recht vorstellen, dass der distinguierte Monsieur Gaston, der einem bereits einen vernichtenden Blick zuwarf, wenn man nur einen Fussel auf der Jacke hatte (und Hazel hatte immer irgendwo einen Fussel hängen), dass dieser selbe M. Gaston nachts auf Einbrechertouren ging.
Hazel stutzte plötzlich.
"Hayward", fragte sie misstrauisch, "wozu brauchen Sie einen Kammerdiener, der Schlösser knackt, ohne dass man nachher eine Spur davon entdecken kann?"
Hayward warf ihr einen amüsierten Seitenblick zu. "Ich war schon sehr gespannt, wie lange es dauern würde, bis Sie mir diese Frage stellen", griente er.
Zu Hause angekommen, wartete Jeremy bereits auf sie und wedelte mit einem weißen Kärtchen vor ihrer Nase herum. "Es sollte uns zu denken geben", meinte er grinsend, "dass Matthew und Cecily beliebter sind als Hazel und Jeremy."
"Eine Einladung!", stellte Hazel resigniert fest. Eine von Cecilys Freundinnen hatte offensichtlich ihre Mutter aktiviert.
Da Jeremy auf ihr Betreiben hin sich bei der Gastgeberin beiläufig erkundigt hatte, ob der Marquis of Wainwright auch eingeladen war, was jedoch nicht der Fall war, so hatte Hazel schließlich eingewilligt mitzugehen. Hazel weigerte sich dennoch, sich ihr Haar zu pudern. Ihre Standhaftigkeit wurde aber gar nicht gefordert, denn es stellte sich heraus, dass sie sowieso nicht mehr genug Puder hatten, was auch Jeremy nicht bedauerte: er lebte in der Überzeugung, dass naturblonde Mädchen grundsätzlich mehr Erfolg hätten.
Der Saal war groß, die Gesellschaft ebenso. Hazel erkannte inzwischen etliche Gesichter und war erleichtert, nicht das von Kirby darunter zu finden.
Jeremy amüsierte sich bereits ausgiebig, wobei er keine Skrupel hatte, seine Rolle auszunutzen, um eine Menge hübscher Mädchen angeblich schwesterlich zu küssen und sie in den Arm zu nehmen, während sie zu dritt oder zu viert kichernd nebeneinander auf einem Sofa saßen.
Warum zum Teufel sollte sie sich eigentlich auf Gesellschaften langweilen, nur weil Cecily einen Bruder zur Begleitung brauchte? Auch wenn sie Skrupel hatte, so heftig zu flirten, wie Cecily es tat, und auch nicht diese diebische Freude daran hatte, andere an der Nase herumzuführen, so konnte sie die Zeit doch wenigstens nützlich verbringen.
Hazel beschloss, es für den Anfang
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