Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
mal mit einem Mauerblümchen zu versuchen. Da war die Gefahr abzublitzen nicht so groß. Dort hinten saß ein großes, dünnes, unauffälliges Mädchen, das auf eine stille Art aber recht sympathisch wirkte.
Sie nahm ihren Mut zusammen und steuerte auf das Mädchen zu. Als sie kurz vor ihm war, erhob es sich plötzlich und wollte eben gehen. Ziemlich abrupt standen sie darum voreinander.
"Hätten Sie die Freundlichkeit, mit mir zu tanzen?", fragte Hazel.
Das Mädchen schaute sie verwundert an, fing sich jedoch rasch und sagte: "Aber gerne, Mr. ..."
"Gott, ich glaube, ich habe den Fauxpas begangen, Sie aufzufordern, ohne dass wir uns einander vorgestellt wurden", stellte Hazel fest.
Das Mädchen richtete schüchtern die Augen zu Boden und lächelte ein sympathisches Lächeln. "Sie sind Matthew Hawthorne, nicht wahr?"
Weiß der Teufel, wie diese Information zu ihr gedrungen war.
Sie war eine Lady Heather Weals. "Hm – ich glaube, die Musiker machen gerade eine Pause."
Hazel fluchte still in sich hinein. Auf die Idee hätte sie auch kommen können. Auf was Männer so alles achten mussten. Wenn sie das Mädchen nicht völlig brüskieren wollte, musste sie jetzt wohl oder übel die Pause über bei ihr bleiben. "Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen?", erkundigte sich Hazel.
"Nein, danke, bloß nicht. Ich hatte schon drei Gläser."
Womöglich, überlegte Hazel peinlich berührt, war sie gerade auf der Suche nach einer gewissen Gelegenheit gewesen. Das Mädchen schaute in den Saal und verfolgte mit düsterem Blick einen Mann, der eben über das Parkett schlich. Ein Lord Marvin, ein etwas melancholisch dreinblickender Witwer, der, so wie Hazel es verstanden hatte, unlängst ein Waisenhaus eröffnet hatte. Das Mädchen seufzte. "Ich wünschte, ich hätte Ihren Mut!", erklärte sie rundheraus.
"Mut?", erwiderte Hazel.
"Ich habe gehört, Sie haben einen Straßenjungen verteidigt."
"Das stimmt nur in gewisser Weise."
"Und dabei haben Sie sich mit dem Marquis of Wainwright angelegt – nun, das finde ich ausgesprochen mutig – er gilt als einer der besten Fechter in ganz London."
"Das wusste ich damals ja nicht", wandte Hazel ein.
"Trotzdem. Es gibt nicht viele junge Männer mit sozialem Gewissen."
"Sie engagieren sich wohl selbst für die Armen?", mutmaßte Hazel.
"Ja. Mama hat mich dazu angehalten – und ich tue es sehr gern. Es gibt ja sonst so wenig sinnvolle Beschäftigung für ein Mädchen von Stand."
Hazel, die selbst wenig Bedürfnis hatte, sich mit Malen und Sticken zu begnügen, grinste verschwörerisch. "Wenn Sie solche Interessen haben, dann muss eine oberflächliche Veranstaltung wie dieser Abend Sie ja nur langweilen", vermutete sie.
"Oh, nicht, dass Sie glauben ...", stotterte Lady Heather hastig und errötete verlegen.
"Sie können mir gegenüber ruhig ehrlich sein", amüsierte sich Hazel, "ich bin ja schließlich nicht Ihre Gastgeberin."
Lady Heather atmete hörbar aus. "Ich hasse alle Arten von großen Gesellschaften", gestand sie.
"Was machen Sie dann lieber?"
"Ich gehe jeden Tag für ein paar Stunden in Lord Marvins Waisenhaus, um zu helfen. Es gibt so viel zu tun. Es ist nicht so einfach, ein Waisenhaus zu leiten, zumal, wenn einem die Frau gestorben ist und man eigene Kinder hat."
"Wie lange ist er schon Witwer?
"Seit beinah acht Jahren." Sie seufzte.
"Haben Sie Lord Marvins Kinder schon kennen gelernt?"
"Aber ja! Sie sind süß. Der Älteste ist 13, einer elf, dann kommen drei Mädchen: die Zwillinge sind zehn und die Kleine ist acht Jahre alt. Wir sind oft zusammen."
Dazu, einen dreizehnjährigen Bengel als "süß" zu bezeichnen, gehörte nach Hazels Meinung schon einige Opferbereitschaft.
"Warum heiratet er Sie nicht?", fragte Hazel naiv.
Das Mädchen warf ihr einen seltsamen Blick zu. "Er hing sehr an seiner ersten Frau. Und sie ist ja noch nicht lange tot", antwortete sie und fügte mit einem kleinen Lachen hinzu: "Und wieso sollte er auch ausgerechnet mir einen Antrag machen?"
"Weil Sie ihn so sehr lieben", erwiderte Hazel leise.
Das Mädchen starrte Hazel völlig entgeistert an.
"Wer sagt das?", flüsterte sie mit einem Anflug von Panik.
"Niemand", erwiderte Hazel, "beruhigen Sie sich. Ich habe das nur aus der Art geschlossen, wie Sie ihn ansehen und über ihn gesprochen haben."
"Oh Gott!", stöhnte Lady Heather, "ist das so offensichtlich?"
"Nein", erwiderte Hazel, "im Gegenteil."
Das Mädchen schwieg bestürzt.
"Sehen Sie mir in die Augen und sagen Sie mir,
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