Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
und Hazel hatte schon drei durchforstet, ohne Jeremy zu finden, als sie beim Hinausgehen auf Lady Burchington stieß.
"Guten Abend, Mr. Hawthorne." Lady Burchington hatte sich mit bangem Herzen genähert. Da seit ihrer letzten Begegnung etliche Tage verstrichen waren, war sie sich inzwischen unsicher geworden, ob ihre Fantasie ihr neulich nicht einen Streich gespielt hatte. Es war schließlich allzu unwahrscheinlich, dass ein dermaßen junger Mann – erst fünfzehn, wie man behauptete! – eine solche romantische Bewunderung für sie, die Mutter von fast erwachsenen Kindern, hegen sollte. Sie hatte indessen nicht gewusst, dass Matthew Hawthorne auch eingeladen war, und hatte demzufolge keine dicke Schicht Schminke aufgelegt, welche die kleinen Fältchen in ihren Augen- und Mundwinkeln verborgen hätte, sondern sich das Gesicht nur zu vornehmer Blässe gepudert.
War sie schön?
Diese Unsicherheit legte wahrhaftig eine mädchenhafte Verlegenheit in ihre Bewegungen und Hazel fühlte sich sogleich an das Bild der Fortuna in Lady Burchingtons Halle erinnert. Allerdings durchfuhr sie auch die Erinnerung an jenes peinliche Missverständnis, sowie die Gewissheit, dass Lady Burchington im Geheimen beobachtet hatte, wie Kirby ihr den Pfirsich zum Kosten gegeben hatte, und - ertappt - geflüchtet war.
Verlegene Röte übergoss Hazel daher, was Lady Burchington sehr wohl und mit klopfendem Herzen bemerkte. "Guten Abend, Lady Burchington", sagte Hazel hastig, machte artig ihre Verneigung über ihrer Hand und nahm mit Bewunderung zur Kenntnis, dass diese elegante Frau ihr schönes Gesicht nicht mit einer dicken Schicht Schminke zugeklebt hatte, um ihr reifes Alter zu verbergen, sondern nur leicht gepudert war. Ein wundervoller Effekt, weil dadurch nicht nur die kleinen, sympathischen Augenfältchen, sondern auch das plötzliche Erröten ihrer Wangen deutlich sichtbar waren. Das beeindruckte Hazel zutiefst, denn Lady Burchington hatte, wie Hazel inzwischen erfahren hatte, eigentlich den Ruf, zuweilen kühl und zynisch zu sein. Sie schrieb Verse, die immerhin so viel Anerkennung fanden, dass die Dame hin und wieder vor den König geladen wurde, um dort ihre Werke, die nicht selten einige Spitzen enthielten, vorzutragen (ihre französischen zumeist, denn König Georg verstand sie besser als die englischen).
Hazel hatte demzufolge ein bisschen Angst, jede ihrer eigenen Bemerkungen könne von einer spitzen Replik gefolgt sein.
"Immer wenn ich Sie sehe, muss ich sofort an das Bild der Fortuna denken ... wie sie mit nackten Füßen über die Wiese läuft", meinte sie darum unbeholfen.
"Mr. Hawthorne ...", flüsterte Lady Burchington, indem sich ihre Büste hob, und Hazel wurde schlagartig bewusst, dass es ein Fehler gewesen war, das Wort "nackt" zu erwähnen.
Hazel war nicht blind. Ihr war völlig klar, dass Lady Burchington sich fatalerweise in das Irrbild eines 15-jährigen Jungen verliebt hatte, und es erfüllte sie mit Scham, dass sie dieser wundervollen Frau nicht das geben konnte, was jene erhoffte und was Hazel ihr zu geben so gern bereit gewesen wäre. Wäre sie wirklich ein Junge gewesen, so hätte sie wohl nicht lange gezögert und hätte sich von dieser beeindruckenden Frau verführen lassen, die so viel Bereitschaft zur Liebe hinter so viel Zynismus verbarg.
Verhängnisvollerweise besaß Lady Burchington aufgrund der Erfahrung ihres reiferen Alters die Fähigkeit, diese Gedanken in Hazels jungen Augen abzulesen, denn weil Hazel sie ehrlich empfand, spiegelten sie sich auch in ihrer Miene und in ihrem Blick. Und weil Lady Burchington in Mr. Hawthornes Augen so viel Entgegenkommen erkannte, war es nicht nötig, ihre Gefühle hinter Zynismus zu verbergen, sondern sie erlaubte sich, in Mr. Hawthornes faszinierende grüne Augen einzutauchen.
"Darf ich Ihnen eine Erfrischung bringen?", fragte Hazel hastig, wartete kaum Lady Burchingtons Zustimmung ab, sondern floh, nur um gleich darauf festzustellen, dass sie vergessen hatte, die Dame nach ihren Wünschen zu fragen. Champagner? Um Himmels Willen keinen Champagner! Nein, etwas Harmloses, was ihr nicht zu Kopf steigen konnte ...
Als Hazel mit einem Zitronenwasser zurückkehrte, saß Lady Burchington mit übereinandergeschlagenen Beinen dekorativ auf einem Sofa – einem Zweisitzer, dessen eine Hälfte sie frei gelassen hatte - und nahm, insgeheim entzückt von Mr. Hawthornes naiver Unschuld, ihr keinen Champagner, sondern ein harmloses Zitronenwasser zu bringen, das Glas
Weitere Kostenlose Bücher