Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Damen der vornehmen (und, wie man mauschelte, auch der weniger vornehmen) Welt. Lady Arabell fand sich also genötigt, sich auch anderweitig umzuschauen, zumal der Marquis zwar heftig mit ihr flirtete, jedoch bislang noch wenig Neigung gezeigt hatte, ihr endlich einen Antrag zu machen.
Während Lady Arabell huldvoll die Komplimente der Herren entgegennahm und diese insgeheim kritisch nach ihrer Fähigkeit, einen passenden Ehegatten abzugeben, abtastete, trat der Marquis of Wainwright hinter ihr in den Saal. Die Mutter von Cecilys Freundin hatte die Nachfrage nach seiner Person als Wink mit dem Zaunpfahl aufgefasst und ihn kurzfristig noch eingeladen.
Ihr Blick schweifte über seinen perfekt sitzenden Abendanzug, der vom teuersten Schneider der Stadt stammte, glitt weiter zu dem Diamantring, der seine schlanken Finger zierte, und tauchte tief ein in seine faszinierend dunklen Augen - und Lady Arabell wurde sich bewusst, dass es neben dem Marquis kaum echte Alternativen für ihre Bedürfnisse gab.
Er trat zu ihr. "Lady Arabell!", stellte er überrascht fest. "Sie beehren diese mittelmäßige Gesellschaft?" Sie ließ sich die Hand küssen und genoss den Moment, als sein Blick, während er sich über ihre sorgfältig manikürten Finger neigte, ihren Körper entlangglitt. Ihr Kleid war äußerst elegant – und äußerst gewagt, denn sie hatte dem letzten Schrei aus Paris zu Folge ihre Brüste zu einem delikaten Dekolleté hochgeschnürt, das so tief war, dass man unter dem hauchdünnen Spitzenfichu, wie Kirby keineswegs entgangen war, deutlich ihre Brustwarzen hervorschimmern sehen konnte, die im selben Rot-Ton geschminkt waren wie ihre Lippen.
"Gefällt Ihnen diese Aussicht nicht?", fragte sie doppelsinnig.
Er hob seine Augenbraue und lächelte. " Chacun à son goût ", antwortete er vieldeutig und ließ seinen Blick über den Saal schweifen, ganz so, dachte Lady Arabell mit plötzlichem Argwohn, als suche er jemanden. Und noch bevor sie ihn durch eine passende Replik hätte aufhalten können, nickte er ihr zu und wandte sich ab, um sich, mal hierhin, mal dorthin grüßend, durch die Menge der Anwesenden hindurchzuarbeiten.
Lady Arabell blieb wütend zurück.
Kein Zweifel – sie hatte eine Rivalin.
Über dieser erschreckenden Erkenntnis noch brütend drang plötzlich aus der Vielzahl der Stimmen und Gespräche der Name "Matthew Hawthorne" an ihr Ohr. Lady Arabell horchte auf. Man konnte nicht in der vornehmen Welt in London verkehren, ohne in den letzten Wochen von diesem erstaunlichen jungen Mann gehört zu haben. Interessiert wandte sie sich an die Dame, die diesen Namen eben erwähnt hatte. "Sie wissen, wer Matthew Hawthorne ist?", erkundigte sich Lady Arabell unverblümt.
"Aber ja, natürlich", erwiderte Lady Burchington. "Der junge Mann dort drüben im blauen Justaucorps."
Lady Arabell musterte Hazel erstaunt.
"Dieser schlaksige Milchbart in der schlecht sitzenden Jacke? Was um Himmels Willen finden denn nur alle an ihm?"
Lady Burchington senkte ihre Stimme. "Sie müssen ihm in die Augen sehen, dann wissen Sie es!", gab sie zur Antwort.
Hazel war eben schon eine Gruppe junger Mädchen aufgefallen – nun ja, sie waren wegen ihres Gekichers auch kaum zu überhören – als sie aus dem Augenwinkel heraus bemerkte, wie eine von den jungen Damen sich aus der Gruppe löste und auf sie zusteuerte. Sie hielt einen reifen Pfirsich in der Hand, machte einen kleinen Knicks und fragte: "Möchten Sie nicht diesen Pfirsich essen, Mr. Hawthorne? Ich habe gehört, Sie mögen Pfirsiche gern."
Oh verdammt! Diese Geschichte mit dem Pfirsich hatte also tatsächlich die Runde gemacht!
"Habe ich Sie richtig verstanden, dass ich diesen Pfirsich essen soll, während Sie und Ihre Freundinnen mir dabei zusehen?", fragte Hazel gefährlich sanft.
Die Kleine nickte eifrig. Gott, sie konnte höchstens vierzehn sein und sah mit ihren gepuderten runden Wangen selbst wie ein kleiner Pfirsich aus. Die dreiste Unverschämtheit, mit der sie dieses Ansinnen an sie stellte, verschlug Hazel die Sprache. Eben wollte sie diesem aufdringlichen Mädchen schon eine eiskalte Abfuhr geben, als sie in ihren großen blauen Augen, mit denen sie sie von unten her anhimmelte (denn Hazel überragte sie um mehr als eine ganze Kopflänge), sich plötzlich selbst spiegeln sah. Verflucht noch mal! Dieses Ding war genau die Sorte Mädchen, die Hazel früher schlichtweg verabscheut hatte: klein, niedlich, blond, selbstbewusst und mit einem Dekolleté,
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