Im Schatten von Montmartre
lassen... Es ist ja so schmeichelhaft, einen Filmstar zu
kennen!“
„Ja, chérie. Auf der Leinwand begeistert
sie mich nicht, aber auf dem weißen Linnen könnte ich eventuell meine Meinung
ändern... Da wir schon mal vom Film reden: Haben Sie den Projektionsapparat
ausgeliehen?“
„Ja, Monsieur Casanova. In Ihrem Büro ist alles
für die Vorführung bereit.“
„O.k.! Verbinden Sie mich vorher bitte noch mit
diesem Hotel in Cannes.“
Kurz darauf hörte ich den Italo-Yankee-Akzent
von Rita Cargelo. Ich erzählte ihr, daß ich Simone gefunden hatte — ohne die
abenteuerlichen Umstände zu erwähnen — und daß ich sie zu ihrem Vater
zurückgebracht hatte. Ich hätte geglaubt, daß sie, Rita, sich über die frohe
Botschaft freuen würde, fügte ich hinzu. Mademoiselle Cargelo antwortete, ja,
sie freue sich in der Tat. Sie habe die bambina richtig in ihr Herz
geschlossen. Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, ihr von
Pruniers Schicksal zu erzählen. Denn für mich gab es keinen Zweifel, daß Simone
den Kameramann in ihrer näheren Umgebung kennengelernt hatte. Doch dann
überlegte ich es mir und schwieg. Die Schauspielerin würde bestimmt einen
Zusammenhang herstellen, und wenn sie dann plaudern würde... Nein, nein. Um
mich über Prunier zu informieren, würde ich andere Quellen anzapfen.
Ich hatte kaum den Hörer auf die Gabel gelegt,
als das Telefon klingelte. Es war dieser Lautier. Ich erzählte auch ihm, daß
Simone wieder zu Hause war, und bat ihn, unabhängig davon, um ein Rendezvous.
Er war zwar überrascht, willigte dann aber ein. Wir verabredeten uns für den
Mittag des nächsten Tages und legten auf.
Hélène und ich gingen nach nebenan in mein Büro,
um mit unserer kleinen Privatvorführung zu beginnen.
„Also wirklich!“ bemerkte meine Sekretärin
enttäuscht, als der Film durchgelaufen war. „Von Pruniers Gesicht und seiner
Art, junge Mädchen mit Rauschgift vollzupumpen, um mit ihnen ins Bett zu
steigen, hatte ich mir etwas anderes versprochen.“
„Ach ja? Was denn?“
„Das wissen Sie doch ganz genau!“
„Ich möchte es aber aus Ihrem Munde hören.“
„Einen Pornofilm natürlich!“
Sie wurde rot und streckte mir die Zunge heraus.
„Ja, einen Pornofilm“, wiederholte ich nickend.
„Da stehen wir nun mit unserem schäbigen Verdacht. Diese Branche hat Prunier
nicht bedient, jedenfalls nicht unter Beteiligung von Simone Coulon.“
Während Hélène den Film mit den unschuldigen
Bildern einpackte, rief ich Victor Coulon an. Ich erkundigte mich nach dem
Befinden seiner Tochter („Es geht, danke“), sagte ihm, daß ich bei Clarimont
gewesen sei („Ah, sehr gut!“) und schnitt schließlich das Thema „Feinde“ an,
die er sich im Laufe seines bisherigen Lebens gemacht haben könnte. Zum
Beispiel jemand, dem er die Frau weggenommen hatte oder so was in der Art. Er
antwortete, daß er keine Feinde habe, daß die Erde zwar von Gehörnten wimmele,
einverstanden, er aber von keinem der Hörner bedroht werde. Niemals habe er
jemandem die Frau ausgespannt. Der letzte Satz kam etwas schwach bei mir an,
was jedoch an der Telefonleitung liegen konnte. Ich ließ den Punkt fallen und
legte auf.
Es war Zeit, eine Kleinigkeit zu essen. Ich lud
Hélène in ein kleines Restaurant in der Nähe ein. Nach dem Essen ging ich früh
zu Bett, die letzten Abendausgaben mehrerer Zeitungen unterm Arm.
Marc Covet, immer nett zu Freunden, hatte nicht
den nächsten Morgen abgewartet, um die Leser des Crépu davon zu
unterrichten, daß in der Sache Clarimont, die zur Zeit an einem toten Punkt
angelangt sei, der Privatdetektiv Nestor Burma, parallel zu den polizeilichen
Ermittlungen und ganz besonders hinsichtlich der wertvollen Jadefiguren, seine
privaten Ermittlungen durchführen werde. Vom Mordfall in der Rue des Mariniers
stand nirgendwo etwas Neues. Die Artikel im Crépu sowie im France-Soir waren ein Aufguß dessen, was in den letzten Tagen schon geschrieben worden war.
Ich las sie trotzdem mehrere Male, wobei ich das Gefühl hatte, daß irgend etwas
Wichtiges darin fehlte. Und es fehlte tatsächlich etwas; aber im Augenblick
wußte ich nicht, was.
* * *
Am nächsten Tag, einem Mittwoch, machte ich mich
auf die Socken, um etwas über den toten Emile Prunier rauszukriegen.
Fehlanzeige. Gegen Mittag traf ich mich mit Lautier, Simones Freund aus
Orléans. Schnell überzeugte ich mich davon, daß er nichts mit der Sache zu tun
hatte. Er war nur ein empfindsamer Junge, der
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