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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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haben.“
    Ich behielt für mich, daß ein Verbrechen aus
Leidenschaft immerhin möglich schien.
    „Jedenfalls“, fuhr Clarimont fort, „bin ich sehr
froh, daß es nicht Simone war, die Sie angerufen hat. Denn Sie sind sich doch
sicher, oder?“ fragte er noch einmal nach. „Kein Zweifel möglich?“
    „Keiner. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie haben
geglaubt, daß es Simone war, stimmt’s? Und wenn sie’s gewesen wäre... Tja!“
    „Tja“, echote er. „Um ehrlich zu sein, das Ganze
kam mir sehr seltsam vor...“
    „Nun, Doktor, wir wollen nicht um den heißen
Brei herumreden. Simones Mutter war geistesgestört, nicht war? Und Sie hatten
Angst, daß auch die Tochter... Gestern nacht haben Sie Monsieur Coulon nicht
geantwortet, als er die Möglichkeit in Betracht zog. Aber gedacht haben Sie’s
auch, stimmt’s?“ Seine Gesichtsmuskeln spannten sich.
    „Nun, ja, Monsieur Burma... Ich muß gestehen,
daß mir der Gedanke gekommen ist. Doch haben Sie mich soeben vom Gegenteil
überzeugt. Ich danke Ihnen.“
    Dr. Clarimont erhob sich. Die Sitzung war
beendet. Ich steckte die Liste der geklauten Nippfiguren in einen Umschlag, und
der Hausherr begleitete mich hinaus. Am Gartentor bedankte er sich noch einmal
— ganz aus-dem-Weg-geräumte-Sorge — und streckte mir herzlich seine
aristokratische, von der Gartenarbeit gezeichnete Hand entgegen.
     
    * * *
     
    Zurück in Paris, machte ich am Quai des Orfèvres
36 halt, bevor ich in meine Agentur fuhr. Mein alter Freund Florimond Faroux,
Kommissar und Chef der Kripo, saß in seinem Büro und kaute auf einer seiner
scheußlichen Zigaretten herum, die er mit seinen knochigen, nikotingelben
Fingern selbst drehte. Das Zimmer stank nach kaltem Zigarettenrauch. Ein
hübscher Haufen von Kippen hatte sich in dem Aschenbecher, den er
wahrscheinlich im Trois Marches oder im Boule d’Or geklaut hatte,
angesammelt. Schnell brachten wir die Höflichkeitsfloskeln hinter uns — der
Kommissar schien äußerst gereizt — , dann fragte ich ihn, wo ich Inspektor
Sébastien finden könne.
    „Ich meine natürlich den Polizeioffizier
Sébastien“, verbesserte ich mich sogleich. „Hab gehört, er legt großen Wert auf
den neuen Titel.“
    „Das ist noch sein geringster Fehler“, knurrte
Faroux, der seinen Untergebenen offenbar nicht ausstehen konnte. „Was wollen
Sie von Sébastien?“
    „Nichts Besonderes. Er kümmert sich doch um den
Fall Clarimont, nicht wahr? Dr. Clarimont, Irrenarzt und Gutachter der
Anklage“, präzisierte ich. „Wir wollen die Herren doch immer schön beim Titel
nennen.“
    „Ach ja, Dr. Clarimont... Stimmt, Sébastien ist
damit betraut... unter anderem.“
    „Ich auch, stellen Sie sich vor! Clarimont hat
mich engagiert. Ich soll ihm die Nippes, die man ihm geklaut hat,
wiederbeschaffen.“
    „Ach ja? Mit der bewährten Methode, Kontakt mit
den Dieben aufzunehmen, was? Und da besitzen Sie die Frechheit, hierherzukommen
und uns davon in Kenntnis zu setzen, so als wüßten Sie nicht, daß wir diese Art
Sport nicht unterstützen!“
    „Regen Sie sich ab, und keine Moralpredigt, wenn
ich bitten darf! Ich verhalte mich den Behörden gegenüber stets korrekt. Wollte
Ihrem Sébastien lediglich mitteilen, daß ich, was die chinesischen Nippes
angeht, mit von der Partie bin.“
    „Das wird ihm gar nicht gefallen, ich sag’s Ihnen
gleich.“
    „War mir wohl klar.“ Und schnurzegal, fügte ich
in Gedanken hinzu. „Es hätte ihm aber bestimmt noch viel weniger gefallen, wenn
er’s aus der Zeitung erfahren hätte.“
    „Hm!“
    Faroux drückte seine Kippe im Aschenbecher aus.
    „Ein Volk ist das!“ schimpfte er.
    Ich wußte nicht, wo er zu Mittag gegessen hatte,
aber man mußte ihm wohl eine schwer verdauliche Ratatouille serviert haben.
    „Was hat er Sie zu engagieren, dieser alte
Blödmann von Arzt!? Hält er uns für unfähig? Hat er kein Vertrauen, oder was?
Er müßte uns doch eigentlich kennen, wo er sozusagen zur Familie gehört...“
    „Vielleicht eben deshalb: weil er euch
kennt...“
    „Ach, Schnauze! Ich bin nicht zum Scherzen
aufgelegt. Um wieder auf Sébastien zurückzukommen: Ich werd ihm die Neuigkeit
übermitteln. Im Augenblick ist er außer Haus.“
    „Sehr gut, vielen Dank. Und sonst? Wie gehen die
Geschäfte?“
    „Welche Geschäfte?“
    „Na ja, ich weiß nicht. Die Geschäfte eben.
Ertrag, Wachstum, Kriminalitätsrate und so.“
    „Wir können nicht klagen.“
    Nachdem wir noch weitere Allgemeinplätze von uns
gegeben

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