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Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Mieterin, oder?“
    „Es gibt noch fünf weitere. Mit denen hab ich
nichts zu tun, kenn sie aber alle. Zumindest vom Namen her. Aber einen
Raffael... ‘tschuldigung, Raphanel gibt es bei uns nicht.“
    „Schade. Trotzdem vielen Dank.“
    Ich legte auf, um gleich wieder abzuheben und
Saunières anzurufen, meinen Freund vom „Photo-Schnellservice“. Er war sozusagen
mit dem Film verwachsen, und das von Kindesbeinen an.
    „Hallo! Hier Nestor Burma“, meldete ich mich. „Sagen
Sie, könnten Sie für mich etwas ganz Dringendes erledigen, noch heute, wenn’s
geht? Etwas ganz Spezielles.“
    „Wir können immer, aber sputen Sie sich! Haben
Sie mal auf die Uhr geguckt? Wir machen gleich dicht.“
    Ich nahm ein Taxi, und zwanzig Minuten später
stand ich in Saunières’ Laden in der Rue Richepanse. In derselben Straße hatte
Diana Slip vor dem Krieg ihre verrückt-komische Unterwäsche verkauft. Die Augen
meines Freundes traten hervor, als er das Foto sah, das ich ihm hinhielt.
    „Oh, ist das Ihr neuer Broterwerb?“
    „Ja. Wie Sie sehen, fange ich gerade erst an.
Mein Warenlager ist noch klitzeklein... Können Sie drei oder vier Abzüge von
diesem Foto machen?“
    „Der Abzug von einem Abzug wird nie ein
Meisterwerk fotografischer Kunst, wissen Sie...“
    „Solange man alles so ungefähr erkennt, wenn der
Hintergrund noch zu sehen ist und die Personen nicht zu sehr verschwimmen,
reicht mir das vollkommen.“
    „Unter diesen Bedingungen wird’s wohl gehen.
Wann brauchen Sie’s? Morgen früh, in Ordnung?“
    „In Ordnung.“
    Wir tauschten unsere Meinungen über diese
verbrecherische Branche aus. Ich wartete darauf, daß Saunières ein paar Namen
nennen würde. Er nannte aber keinen.
    Ich ging zu Fuß in die Rue Mogador zurück.
Unterwegs ließ ich diejenigen meiner Bekannten Revue passieren, die von diesem
Geschäft lebten. Ich hatte sie schon seit Jahren aus den Augen verloren... Doch
da gab es noch Milo. Emilien Fer-geat, genannt „Milo mit den weißen Zähnen“,
eine kleine Nummer in der Unterwelt. Er hatte mir schon so manchen wertvollen
Tip gegeben. Noch vor einem halben Jahr hatte er sein Geld damit verdient, daß
er den Touristen auf Montmartre winzige Reproduktionen von Gemälden verkaufte,
ausschließlich Akte großer Meister. Wenn man sie hastig und im Dämmerlicht
zeigte, konnten sie für „Ohlala“ durchgehen.
    Ich sollte Milo mal wieder besuchen.
     
    * * *
     
    Emilien Fergeats Bezirk war die Place Blanche,
Ecke Rue Lepic. Als ich mich so gegen 23 Uhr dort einfand, erblickte ich zwar
zwei seiner Kollegen, aber keinen Milo. Ich erkundigte mich nach ihm und
erfuhr, daß er seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen worden war. Ich beschloß,
ihn zu Hause aufzusuchen. Vor sechs Monaten war seine Adresse das Hotel Star gewesen, in Barbès, Rue Belhomme.
    Die Rue Belhomme, „Schöner Mann“, ist eine
schlechte Bezeichnung. „Schöne Frauen“ würde besser passen. Die Straße ist ein
wahres Dirnennest. Das Hotel Star ist ein „gemischtes Haus“, halb Stundenhotel,
halb Pension.
    Mir stieg der Gestank aus billigem Parfüm und
Achselschweiß in die Nase. Der Treppenflur wurde von einer schwachen Birne
schummrig beleuchtet. An der Rezeption stand ein Pomadenjüngling. Man hätte
meinen können, daß auch er auf den Strich ging. Ausgeschlossen war das nicht.
Ich fragte ihn nach Milo, und er verriet mir, daß mein Freund in der sechsten
Etage wohne, Zimmer 18. Ich stieg die steile Treppe hinauf. Oben sah alles noch
schäbiger aus als unten. Ich klopfte an die Tür Nr. 18.
    „Was ist los?“ rief eine betrunkene
Frauenstimme. Noch eine!
    „Nestor Burma ist hier!“ schrie ich zurück. „Ein
Freund von Milo.“
    „Ach, Burma?“ brummte eine andere Stimme, die
von Milo. „Mach auf, Mado.“
    Mado gehorchte. Ihr wasserstoffblondes Haar war
zerzaust. Eine Kippe hing an ihrer Unterlippe, die ebenfalls herunterhing. Der
Morgenmantel, mit dem sie ihre üppigen Formen verbarg, klaffte auf. Ein
Anisgeruch erfüllte die Luft.
    Milo lag mit veilchenblauen Augen im Bett. Auch
seine legendären weißen Zähne hatten etwas abgekriegt.
    „Ja, sag mal!“ rief ich und setzte mich auf
einen Stuhl, bemüht, den Büstenhalter, der über der Lehne hing, nicht
plattzudrücken. „Bist du durch eine aufgeregte Menge Spießruten gelaufen?“
    „So ungefähr. Hab mich vollaufen lassen, und die
Flics haben mich eingesperrt. Am nächsten Morgen haben sie mich wieder
laufenlassen, wahrscheinlich, weil sie mich nicht

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