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Im Schatten von Notre Dame

Titel: Im Schatten von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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mich nicht so unglücklich, wie ich es hätte sein sollen. Ich empfand es als Erleichterung, dem Bösen nicht länger ins Angesicht blicken zu müssen.

Kapitel 7
    Quasimodos Hochzeit
    In der darauf folgenden Nacht zog noch einmal ein großer Trauerzug zum Galgenhügel von Montfaucon. Mathias und seine Zigeuner, Leonardo und Tommaso, Colette und ich. Der verwundete Atalante war im neuen Zigeunerlager außerhalb der Stadt geblieben. Auf einer Bahre trugen wir den toten Quasimodo, dem wir das letzte Geleit gaben. Im Leben war er nur einmal von den Menschen getragen worden, an jenem Tag, als ich ihn zum ersten Mal erblickte, dem Tag seiner Krönung zum Papst der Narren.
    Der Schmerz über den Verlust von Bruder und Vater wurde von dem Wissen gemildert, daß beide ihr Leben für die gerechte Sache gegeben hatten, für die Rettung der Seelen. Und auf Quasimodo wartete im Tod eine ganz eigene Belohnung, die Vermählung mit seiner geliebten Esmeralda, mit Sita. Wir erfüllten seinen letzten Wunsch und trugen ihn zu ihr, in die kleine Leichenkammer, und betteten ihn direkt neben sie. Ich legte ihre Hände ineinander.
    War es nur ein Schattenspiel im unsteten Fackel icht, oder lag tatsächlich ein Lächeln auf Quasimodos Lippen? Als wisse der Tote um sein Glück.
    Am nächsten Morgen verabschiedeten sich Leonardo und Tommaso von uns, um nach Plessis-les-Tours zu gehen und Philippe de Commynes über den teuflischen Barbier in Kenntnis zu setzen. Atalante sollte einstweilen bei den Zigeunern in Pflege bleiben.

    »Und was habt Ihr dann vor, Maître Leonardo?« fragte ich, als wir einander die Hände reichten.
    »Ich werde mit meinen Freunden nach Milano gehen, wo der Herzog uns eine gute Anstellung geboten hat.«
    »Als was?«
    Leonardo zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht genau.
    Angeboten habe ich mich als Erfinder, Architekt, Festungsbauer, Kon-strukteur von Kriegsmaschinen und Künstler.«
    Lächelnd sagte ich: »Da ich Eure vielfältigen Talente kennen gelernt habe, bin ich sicher, daß Ihr Euren Weg machen werdet.«
    Leonardo und Tommaso bestiegen die Pferde, die Mathias ihnen zur Verfügung gestellt hatte, und trabten in den jungen Morgen hinein.
    Ich suchte Colette und fand sie kniend an dem Grab, das wir für ihren Vater errichtet hatten und über dem sich ein einfaches Holzkreuz mit der Aufschrift ›Ein guter Christ und tapferer Mann bis in den Tod‹
    erhob. Colettes Augen waren gerötet, sie hatte wieder weinen können.
    »Alles vergeblich«, sagte sie leise. »Ich habe euch alle verraten – und wozu?«
    »Für deinen Vater, um ihn zu retten.«
    »Ich habe ihm nicht das Leben gebracht, sondern den Tod.«
    »Nicht du bist schuld. Die Dragowiten hätten deinen Vater im Tausch gegen den Sonnenstein freilassen müssen. Du bist von ihnen verraten worden.«
    »Der Lohn einer Verräterin«, sagte sie bitter und schlug die Augen nieder.
    Ich hockte mich dicht neben sie und sagte: »Wäre es um meinen Vater gegangen, hätte ich nicht anders gehandelt als du.«
    Sie sah mich überrascht an. »Heißt das, du verzeihst mir, Armand?
    Obwohl ich schuld bin am Tod deines Vaters und deines Bruders?«
    »Jeder hat sein Schicksal gefunden. Mein Vater war bereits vom Tod gezeichnet, und für Quasimodo gab es unter den Lebenden keine Hoffnung und kein Glück. Lass uns das Vergangene vergessen!« Ich stand auf und reichte ihr die Hand. »Kommst du mit?«
    »Wohin?« fragte sie zögernd.

    »Ich weiß es noch nicht. Irgendwo muß es einen Ort geben, der einen fleißigen Kopisten und seine Gemahlin ernähren kann.«
    Als Colette ihre Hand in meine legte, waren alle Anstrengungen und alle Trauer wie weggewischt. Wie mein Bruder hatte auch ich mein Glück gefunden.
    Das Erbeben der Erde, das den Markt von Saint-Germain-des-Prés verwüstet und viele Menschen Leben oder Gesundheit gekostet hatte, sorgte in Paris für Unruhe. Der Abt von Saint-Denis, der den Markt von Saint-Germain als unliebsame Konkurrenz betrachtete, verbreitete das Gerücht, dies sei die Strafe Gottes für die Habgier, zweimal im Jahr einen Markt abzuhalten. Und er fand beim König Gehör. Fortan blieb der Markt von Saint-Germain auf den Februar beschränkt.
    Es war eine der letzten Entscheidungen, die Ludwig XI. traf. Am Montag, dem fünfundzwanzigsten August, erkrankte die Große Spinne, und am darauf folgenden Sonnabend schloß sie für immer die Augen. Ob dieses Hinscheiden die natürliche Folge von Alter und Gebrechen war oder ob Gevatter Tod seitens

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