Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
Vom Netzwerk:
dieselbe Qualität. Seine Farbe ist zu braun. Er müsste goldener aussehen und mehr nach Karamell schmecken. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber im Grunde schmeckt er wie Rentierkäse.«
    Tante Eda räusperte sich.
    Oskar zuckte zusammen, sah aber erleichtert aus, als er sie erblickte. Vielleicht hatte er mit einem zweiköpfigen Troll gerechnet.
    »Was machst du denn hier, Eda? Und wie bist du überhaupt reingekommen? Hat Fredrick nicht versucht, dich aufzuhalten?«
    »Er hat es versucht«, entgegnete sie, »doch heute kann
mich keiner aufhalten. Es tut mir leid, aber ich muss dich um einen großen Gefallen bitten.«
    »Einen Gefallen? Eda, ich weiß nicht …«
    »Stell dir einfach vor, Henrik würde dich darum bitten. Wenn du mir einen Gefallen tust, tust du auch ihm einen Gefallen. Und du weißt doch noch, wie er dir damals aus der Patsche geholfen hat, als deine Kunden ausblieben. Er hat dir eine ganze Monatslieferung seines Goldmedaillenkäses kostenlos zur Verfügung gestellt.«
    Oskar schaute betrübt auf das Telefon. »Ach, wenn er doch nur hier wäre! Wenn ich doch nicht auf diese Schwachköpfe aus Oslo mit ihrem braunen Stinkkäse angewiesen wäre! Der schmeckt nach eingeschlafenen Füßen. Könnte ich Henriks Goldmedaillenkäse anbieten, würde die Kundenschlange von meiner Käsetheke bis nach Lillehammer reichen.«
    »Du willst mir also helfen?«
    Oskar nickte. »Natürlich. Worum geht’s?«
    Tante Eda holte tief Luft und sagte dann frei heraus: »Ich brauche einen Mann!«
    Oskar zog seine gelbe Fliege gerade und hob die Brauen.
    »Aha«, entgegnete er. »Tja, ich muss sagen … dass ich nicht sonderlich überrascht bin.«
    Tante Eda schien verwirrt. »Nicht?«
    »Weißt du, ich habe ein Näschen für so etwas.« Er zuckte mir seinen riesigen Nasenlöchern, um seine Aussage zu unterstreichen. Plötzlich war er äußerst glücklich darüber, dass Henrik nicht da war.
    »Hast du das wirklich?«
    »Liebe ist wie Käse. Sie muss reifen. Und Menschen wie uns, Eda, tut es nicht gut, allein zu sein. In einem leeren Bett zu schlafen, das ist wie Fladenbrot ohne Aufschnitt zu essen. Findest du nicht auch?«
    Er machte einen Schritt auf sie zu, nahm ihren Kopf in seine
Hände, und ehe sie dagegen protestieren konnte, wurde sie geküsst. Tante Eda stieß Oskar mit seinem nach Käse riechenden Atem und seinem buschigen Schnurrbart zurück.
    »Nein!«, stieß sie aus, während sie sich den Mund abwischte. »Nein, Oskar. Nein!«
    Fast wäre sie aus der Haut gefahren, aber dann erinnerte sie sich an den Grund ihres Besuchs. »Hör zu, Oskar, du hast das völlig falsch verstanden. Du bist ein liebenswerter Mann, aber ich brauche dich nicht, um mein Bett zu wärmen.«
    Oskar blickte betreten zum Kopf den Rentieres empor, als fürchte er, es könne jemandem erzählen, wie sehr er sich gerade blamiert hatte.
    »Hm, ich verstehe. Wofür brauchst du mich dann?«
    Tante Eda schloss die Augen und platzte dann heraus: »Um mit mir in den Wald zu gehen!«
    »In den Wald? Du meinst doch nicht etwa den Schattenwald? Den gefährlichsten Ort auf der ganzen Welt. Den Ort, an dem Menschen verschwinden und niemals zurückkehren.«
    »Es geht um Samuel und Martha«, erklärte Tante Eda. »Um die beiden Kinder, für die ich die Verantwortung trage. Sie sind in den Wald gegangen. Mit Ibsen. Und ich muss sie finden.«
    »Oh, mein Gott, die armen Kinder!«
    »Ich muss sie da rausholen, aber das schaffe ich nicht allein. Ich weiß, dass du früher schon einmal Nein gesagt hast, als ich dich bat, mir bei der Suche nach Henrik zu helfen. Aber diesmal musst du mir helfen. Ich bitte dich!«
    Doch Oskar schüttelte bereits seinen Kopf und war ihr ins Wort gefallen. »Hör mir zu, Eda. Ich möchte dir so gern helfen und würde alles für dich tun, alles … außer … Im Wald geschehen schreckliche Dinge. Selbst die Kreaturen versuchen, ihm zu entkommen. Der Alte Tor hat letzte Nacht wieder
eine von ihnen gesehen. Ich habe dir doch erzählt, dass er neulich einen doppelköpfigen Troll gesehen hat. Letzte Nacht ist er wieder zum Fjord gegangen und hat etwas anderes beobachtet. Einen Tomtegubb und mehrere Huldren.«
    Tante Eda schluckte, weil sie und Samuel dasselbe beobachtet hatten.
    »Aber diesmal haben sie ihn entdeckt«, fuhr Oskar fort. »Die Huldren sahen ihn und jagten hinter ihm her. Und er rannte davon.«
    Tante Eda erinnerte sich daran, wie die Huldren in Richtung Fjord galoppiert waren. »Aber der Alte Tor kann doch nicht rennen.

Weitere Kostenlose Bücher