Im Schattenwald

sah er ihn plötzlich. Den Busch mit den gelben Blättern.
    »Der Hewlip-Busch«, murmelte Samuel, indem er sich an die Worte des Wahrheits-Pixies erinnerte.
    Ibsen winselte, als sei er sich über die Bedeutung des Buschs vollkommen im Klaren.
    Sobald du den Busch hinter dir gelassen hast, erreichst du DEN GEFÄHRLICHSTEN TEIL DES WALDES …
    Samuel berührte eines der giftigen Blätter und strich mit dem Finger an seinem gezackten Rand entlang.
    Hinter dem Busch begann ein hügeliges Gelände, auf dem dieselben hohen Kiefern standen, die auch im übrigen Wald zu finden waren. Von irgendwelchen Kreaturen, ob mit oder ohne Schatten, war nichts zu sehen. Kein Anzeichen irgendeiner Gefahr. Doch während er seinen Blick über die Landschaft schweifen ließ, wurde er plötzlich von einem seltsamen Gefühl ergriffen. Eine unbestimmte Bedrohung schien in der Luft zu liegen und jeden zu warnen, dem Veränderer noch näher zu kommen.
    Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als würde er im nächsten Moment von seinem imaginären Seil springen und weit unter ihm auf der harten Erde landen.
    Samuel wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Das war das letzte Mal, dass er sich selbst leidtat.
    »Wir sind auf dem richtigen Weg«, erzählte er Ibsen.
    Er riss einige gezackte Blätter des giftigen Buschs ab, steckte sie sich in die feuchte Hosentasche und betrat den gefährlichsten Teil des Waldes.

Noch eine unhöfliche Unterbrechung des Autors
    H allo, ich bin’s wieder. Der Autor.
    Ja, ich weiß, niemand wird gern unterbrochen, vor allem nicht, wenn man gerade ein Buch liest. Ich wollte euch nur warnen, dass die nächsten beiden Kapitel davon handeln, warum Professor Horatio Tanglewood so böse wurde. Manche Leute glauben ja, dass Menschen böse auf die Welt kommen, und wenn du ebenfalls dieser Meinung bist, dann kannst du die nächsten beiden Kapitel ebenso gut überspringen und gleich bei »Der Wagen« weiterlesen.
    Na los.
    Trau dich ruhig.
    Und - ist noch irgendjemand da?
    Ach, nur du?
    Mach dir nichts draus.
    Dann sollte ich dir jetzt vielleicht etwas mehr von Professor Tanglewood und seiner besonderen Art von Bosheit erzählen.

Triumph und Tragödie von Professor Horatio Tanglewood
    W ährend Samuel seinen Weg fortsetzte, saß Professor Horatio Tanglewood allein in seinem hölzernen Palast und versuchte, einen Titel für sein neues Buch zu finden. Er war sehr zufrieden mit sich, da er den Huldren gerade befohlen hatte, am Abend neben den anderen Gefangenen auch die Schneehexe zu ihm zu bringen. Erst kürzlich hatte er eine Schwäche der Schattenhexe bemerkt und hielt es für das Beste, sich ihre Schwester ein für alle Mal vom Hals zu schaffen.
    Hiervon ermuntert, spürte er sogleich neue Energie in sich und beschloss, weiter nach einem passenden Titel zu suchen. Er hatte mit seiner Autobiografie zwar noch gar nicht angefangen, doch wenn erst einmal der richtige Titel gefunden war - da zweifelte er nicht -, würden die anderen Wörter wie von selbst zu ihm kommen, wie es auch bei Die Geschöpfe des Schattenwalds der Fall gewesen war. Er schritt auf und ab, vorbei an den Behältern mit den eingelegten Köpfen, und ließ sich verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf gehen.
    Dann blieb er plötzlich stehen und starrte in das Gesicht eines Tomtegubbs, eines Cousins des Tomtegubbs, der gemeinsam mit Martha im Gefängnis saß. So wie alle Tomtegubbs war dieser mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben - einem Lächeln, das nun für die Ewigkeit erhalten blieb.
    »Was hältst du davon? Professor Tanglewood - Held wider
Willen . Oder wie wär’s damit? Die wahre Geschichte des Veränderers.«
    Der eingelegte Kopf schwieg beharrlich, lächelte aber weiter.
    »Ja, du hast Recht«, sagte der Professor, »sie sind gut, aber irgendwas fehlt noch. Ah, jetzt hab ich’s! Ein Titel, der einfach alles umfasst. Bist du bereit? Also hör zu! Triumph und Tragödie von Professor Horatio Tanglewood . Ist das nicht ein perfekter Titel? Absolut perfekt! Oh, jetzt wird mir alles leicht von der Hand gehen, du wirst sehen, mein goldener Freund. Ich spüre schon, wie mein Leben beginnt, sich in Wörter zu verwandeln. In nur einem Monat werde ich fertig sein. Ach was! In einer Woche. Unsinn! An einem Tag! Und dann wird die Schattenhexe tausend Exemplare zaubern und einen Übersetzungszauber sprechen, sodass jede einzelne Kreatur versteht, wer der Veränderer wirklich ist und was er - besser gesagt ich - alles durchmachen musste. Es wird wie