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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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vorstellen kann.«
    Samuel fragte weiter, und der Wahrheits-Pixie platzte sofort mit den wahrheitsgemäßen Antworten heraus, während er sich abwechselnd ins Gesicht schlug und in die Hand biss.
    »Du willst mich also umbringen?«
    »Äääh … ja!«
    »Warum?«
    »Weil ich es genieße! Dann fühle ich mich nicht mehr so klein!«
    »Was passiert mit mir, wenn ich die Suppe nicht esse?«
    »Nichts.«
    »Wirst du nicht versuchen, mir wehzutun?«
    »Nein!« Bei dieser Antwort biss sich der Wahrheits-Pixie so stark in die Hand, dass sie blutete.

    »Warum nicht?«
    »Weil ich Angst habe, dass du dann mir wehtust!«
    »Warum?«
    »Weil ich ein kleiner, schwacher Pixie bin, der Schmerzen mehr fürchtet als jedes andere Wesen.«
    »Was würdest du tun, wenn ich jetzt aufstehe und dein Haus verlasse? Würdest du mir folgen?«
    »Nein!«
    »Und wenn ich deine Sandalen mitnehme?«, fragte Samuel, der einen Blick auf die großen Füße des Pixies warf. »Was würdest du dann tun?«
    »Ich könnte dir Schimpfwörter an den Kopf werfen.«
    »Was für Schimpfwörter?«
    »Alte Stinkmorchel, nichtsnutziges Matschgehirn, quadratköpfiger Käsefußträger!«
    »Mit diesen Schimpfwörtern könntest du nicht mal einen Fünfjährigen beeindrucken.«
    Der Wahrheits-Pixie seufzte. »Das sind die schlimmsten, die ich kenne.«
    »Und würdest du noch was anderes tun?«
    Der Wahrheits-Pixie versuchte verzweifelt zu lügen. » Na , ich meine jein , ich meine …«
    »Du meinst nein, oder?«
    »Äääähhhhh … ja!«
    Der Wahrheits-Pixie war von all seinen erfolglosen Bemühungen zu lügen vollkommen erschöpft. »Bitte, bitte, tu mir nicht weh! Ich kann nichts dafür! Eigentlich bin ich ganz anders … eigentlich wollte ich niemand vergiften … ich wollte immer nur gut sein. Früher habe ich auch nie Hewlip in meine Suppe getan …«
    Samuel konnte es nicht glauben. Noch vor einer Minute hatte der Pixie ihn umbringen wollen und jetzt war er den Tränen nahe.

    »Warum hast du dich dann verändert?«, fragte Samuel. »Warum kannst du keine normale Suppe mehr kochen? Warum kannst du nicht einfach … gut sein?«
    »Das liegt an meinem Schatten«, antwortete der Pixie. Er schien von seinen eigenen Worten überrascht, als wären seinem Mund soeben drei kleine Mäuse entschlüpft. »Ich … verstehe das nicht. Als ich meinen Schatten noch hatte, habe ich nur schöne Dinge getan. Ich habe getanzt und Blumenlieder gesungen, aber damit ist es jetzt vorbei. Wir Pixies sind nicht zahlreich genug. Heute erfreuen wir uns an Dingen, die dunkel und gewalttätig sind. Explodierende Köpfe, vor allem von Trollen. Die sind so dumm, dass sie ihre Größe gar nicht verdienen. Die denken nur mit ihren Bäuchen und machen immer eine Riesensauerei, wenn sie platzen, das ist das Problem. Dann spritzen ihr Blut und ihr Gehirn an die Wand.«
    Samuel schluckte, weil die grauen und dunkelroten Flecken an den Wänden auf einmal eine konkrete Bedeutung erhielten. Doch selbst der Gedanke an explodierende Gehirne konnte ihm seinen Hunger nicht nehmen.
    Er nahm eine Brotscheibe in die Hand. »Ist das Brot auch vergiftet?«
    »Nein.«
    Samuel teilte sich das Brot mit Ibsen und schlang es gierig hinunter, bis kein einziger Krümel mehr übrig war. Dann schlief Ibsen auf dem Boden ein, und Samuel beschloss, dem mörderischen kleinen Wesen ohne Schatten so viele Informationen zu entlocken wie nur irgend möglich.

Samuels Fragen und die Antworten des Wahrheits-Pixies
    S amuel: »Wie ist das geschehen? Wer hat deinen Schatten gestohlen?«
    Wahrheits-Pixie: »Das war die Schattenhexe. Sie ist eine der beiden Waldhexen. Ich verstehe das einfach nicht. Sie hat mich besucht und ich habe ihr Suppe gekocht. Suppe ohne Hewlip. Für sie und ihre Schwester, die Schneehexe. Sie waren sehr nett zu mir und ich habe für sie getanzt. Doch eines Tages landeten zwei Raben auf dem Gras vor meinem Blockhaus. Einer von ihnen verwandelte sich in die Schattenhexe, während der andere unverändert auf dem Gras stehen blieb. Die Schattenhexe klopfte an meine Tür und ich ließ sie herein. Sie sah viel trauriger und älter aus als bei ihrem ersten Besuch, obwohl der erst sechs Monate her war.«
    Samuel: »Was ist passiert? Was hat sie getan?«
    Wahrheits-Pixie: »Sie murmelte lange vor sich hin. Man kann nicht sagen, dass sie gesprochen hat, doch geschwiegen hat sie auch nicht. Als sie aufgehört hatte zu murmeln, habe ich sie hinausbegleitet. Erst in diesem Moment, als ich auf den Boden sah, habe

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