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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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der auf der anderen Seite der Caloosh-Grube stand. Er klatschte begeistert in die Hände und jubelte, als einer der dreiköpfigen Vögel zusammenbrach.
    »Vemp oda caloosh!«, schrie er voller Stolz mit weit aufgerissenen Augen, als sein Lieblingsvogel mit allen drei Schnäbeln auf seinen Kontrahenten einhackte.
    Grentul hatte sich immer darüber gewundert, mit welcher Brutalität dieselben Vögel, die sonst so friedlich im Wald umherliefen,
im Untergrund aufeinander losgingen, nachdem sie nur wenige Tage trainiert worden waren. Nicht dass Grentul irgendwelche Skrupel gehabt hätte. Die hatte er nicht. Doch er konnte an nichts mehr Gefallen finden, nicht einmal an gewalttätigen Sportveranstaltungen. Seine ganze Liebe galt dem Veränderer. Er war sein Leben, seine Pflicht - so wie dies für alle Huldren galt. Das Einzige, was ihn noch motivierte, war die gemeinsame Aufgabe, den Wald vor den Unveränderten zu schützen. Außerdem war er davon überzeugt, ein größeres Pflichtgefühl zu haben als alle anderen, selbst Vjpp.
    Eines Tages, dessen war er gewiss, würde der Veränderer das Maß seiner Ergebenheit erkennen und ihn dafür belohnen. Es war dieser Gedanke, der ihn dazu veranlasste, sich unter die tosende Menge auf der anderen Seite der Grube zu mischen.
    Er beugte sich Vjpp entgegen und raunte ihm zu: »Ipp kensh!«
    Es ist an der Zeit.

    Die Schneehexe hörte sie zuerst.
    »Sie kommen«, sagte sie zu Martha. »Zeige keine Angst, denn Angst ist wie ein Geschenk für sie, und du schuldest ihnen keine Geschenke.«
    Der Tomtegubb und der doppelköpfige Troll erwachten durch Vjpps Gelächter, als dieser in Begleitung Grentuls und fünf weiterer Wärter den Korridor entlangschritt. Sie trugen Waffen an ihren Gürteln und hielten brennende Fackeln in ihren Händen.
    »Das war’s«, sagte der rechte Troll. »Wenn wir das nächste Mal schlafen, sind wir schon tot. Tot! Unser Körper zu Staub zerfallen, unser Geist im großen schwarzen Nichts verloren,
als hätten wir nie gelebt. Als hätten wir nie die einfachen Genüsse von Waldbeerenwein und Haseneintopf kennengelernt.«
    »Du kannst Haseneintopf nicht ausstehen«, sagte der linke Troll. »Und von Waldbeerenwein bekommst du Kopfschmerzen.«
    Der rechte Troll warf ihm einen missmutigen Blick zu. »Gar nicht wahr. Letztes Mal hatte ich Kopfschmerzen, weil du so viel getrunken hast.«
    »Was kann ich denn dafür, dass wir denselben Magen haben?«
    »Damit hat es bald ein Ende. Schau, uns holen sie zuerst.«
    Der rechte Troll hatte Recht. Die Huldrenwärter öffneten die Zelle und streckten ihnen ihre Schwerter entgegen.
    »Mach jetzt keinen Fehler«, warnte der rechte Troll den linken Troll.
    Als der linke Troll im nächsten Augenblick die Schneide von Vjpps Schwert an seinem Hals spürte, entschied er sich, dieses eine Mal den Rat des rechten Trolls zu beherzigen. Somit wurde der doppelköpfige Troll ohne Zwischenfälle den Korridor hinuntergeführt.
    Als Nächster kam der Tomtegubb an die Reihe, der sich fröhlich bei den Wärtern bedankte, dass sie ihm die Tür geöffnet hatten.
    »Ich kann es kaum erwarten, an die frische Luft zu kommen«, sagte er zu ihnen, ehe er seine Lieblingspassage aus dem Lilahosensong zu summen begann.
    Dann öffneten sie die Zellentür der Schneehexe. Die Schneehexe schien verwirrt.
    »Warum jetzt?«, fragte sie Grentul. »Warum will er mich nach all der Zeit gemeinsam mit den anderen zum Tode verurteilen?«

    Sie erhielt keine Antwort - jedenfalls keine, die irgendjemand hätte verstehen können -, also verließ sie ihre Zelle und sagte zu Martha: »Denk daran, Menschenkind. Zeig keine Angst!«
    Obwohl sie nickte, zuckte Martha unwillkürlich zusammen, als Vjpp ihre Zellentür aufschloss und ihr entgegentrat. Er steckte sein Schwert in die Scheide, kniete sich neben sie und hielt ihr die Fackel direkt vors Gesicht, worauf Martha automatisch zurückwich. Vjpps freie Hand strich sanft über ihre Wange und blieb schließlich mitsamt seinen Krallen auf ihr liegen. Er leckte sich mit seiner blauen Zunge die Lippen, als wäre Martha eine köstliche Mahlzeit, die man ihm vorgesetzt hatte.
    Da sich nie zuvor ein Mensch im Gefängnis der Huldren befunden hatte, kam sie ihm wie ein exotischer Hauptgewinn vor.
    Vjpp flüsterte ihr sonderbare Worte ins Ohr: »Venn op cunneef.«
    Dann wurde er von einem anderen Huldren angesprochen. Es war Grentul, der Vjpp zur Eile anzutreiben schien.
    Martha wurde aus ihrer Zelle gezerrt und den Korridor

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