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Im Schattenwald

Im Schattenwald

Titel: Im Schattenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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Schatten hatte. Wissend, dass er zu Ibsen zurückgehen sollte.
    Nicht … einschla…fen.
    Doch die Müdigkeit war stärker, zog seine Lider nach unten und knipste das Licht seines Bewusstseins aus.
    Bevor ihm ganz die Augen zufielen, warf er einen letzten Blick auf das offene Buch, das neben ihm auf der Erde lag. Die vom Mond beleuchteten Wörter verschwammen vor seinen Augen.
    Das Lesen im Dunkeln machte ihn umso müder, sodass er sich fast schon im Reich der Träume befand, als er die Seite erblickte, auf die es ankam:

Der Slemp
    Der Slemp ist ein großes und pelziges Wesen, das die meiste Zeit schläft. Mit seinen runden Ohren und seinem weichen Fell gleicht es in mancher Hinsicht einem Bären. Sein vorstehender Kiefer hat jedoch mehr Gemeinsamkeiten mit dem eines Löwen.

    Aufgrund seines großen, gemütlichen Bauchs wird der Slemp von müden Wanderern oft als lebendes Kissen betrachtet. In den seltenen Momenten, in denen der Slemp wach ist, bietet er den Passanten an, ihre Köpfe auf seinen Bauch zu betten, und er tut dies mit einer so freundlichen und beruhigenden Stimme, dass man kaum widerstehen kann.

    Doch sollte man in jedem Fall widerstehen, denn wer den Fehler begeht, auf dem Bauch des Slemp einzuschlafen, wird mit größter Wahrscheinlichkeit nie wieder aufwachen. Slemps haben extrem sensible Nasen und lieben den Geruch der Träume, der aus den Ohren der Schlafenden aufsteigt und an köstliche Beeren erinnert.

    Doch Slemps lieben nicht nur den Geruch der Träume, sondern auch ihren Geschmack. Selbst im Schlaf können sie die Köpfe ihrer träumenden Opfer abbeißen, ohne auch nur im Mindesten darüber nachzudenken. Manchmal geschieht dies mit einem einzigen Biss, manchmal knabbern sie ihn erst einmal an, doch sind ihre Kiefer so stark, dass die Opfer in beiden Fällen keine Überlebenschance haben.

    Schwäche: Der Slemp ist so müde, dass er kaum die Energie aufbringt, seine Opfer zu verfolgen.

    Samuel schluckte. Vor lauter Angst war er jetzt hellwach. Die Angst verstärkte sich, als eine riesige Tatze des Slemp auf seiner hämmernden Brust liegen blieb.
    Während er die Tatze vorsichtig beiseiteschob, erhob sich Samuel langsam vom pelzigen Bauch des Slemp.
    »Mehr Beeren«, murmelte das Wesen.
    Samuel stand auf. Machte ein paar vorsichtige Schritte. Hielt inne.
    Das Buch, du Idiot! Du hast das Buch vergessen.
    Auf Zehenspitzen schlich er zurück und streckte mit zitternden Händen seine Hand nach dem Buch aus.
    Der Slemp knurrte, als fühle er sich in seinem Schlaf gestört. Das Knurren war so tief, dass es aus der Tiefe der Erde zu kommen schien und mit heißer Schokolade nichts mehr gemein hatte.

    Binnen einer Sekunde schoss der Slemp in die Höhe und schnappte mit weit aufgerissenem Rachen nach Samuels Kopf. Doch seine scharfen Zähne erwischten nur ein paar Haarsträhnen, sonst nichts. Samuel war im entscheidenden Moment zurückgesprungen und jagte nun mit olympischer Geschwindigkeit davon. Nach einer Weile drehte er sich um und stellte erleichtert fest, dass der Slemp wieder eingeschlafen war. Doch dieses Gefühl währte nicht lange. Im nächsten Moment hörte er ein Geräusch.
    Zuerst hörte es sich an wie platschender Regen, doch dann erinnerte er sich daran, dass er dieses Geräusch schon einmal gehört hatte. Es war das Geräusch galoppierender Pferde, die ihm entgegenkamen.
    Samuel lief dem Hufgetrappel ein Stück weit entgegen, bevor er sich nahe am Weg hinter einem Baum versteckte. In der Ferne sah er sie kommen - mit brennenden Fackeln, wie damals, als sie den Tomtegubb gefangen genommen hatten. Er wartete, bis sie so nahe gekommen waren, dass die brennenden Fackeln die gesamte Szenerie erleuchteten.
    Es waren vier Pferde, jeweils zwei nebeneinander, die den Wagen zogen. Auf dem Wagen, der zu beiden Seiten von Huldren gesäumt war, befand sich eine Art Käfig. Die Huldren trugen nicht nur Fackeln, sondern auch Schwerter und andere undefinierbare Waffen, die an ihren Gürteln befestigt waren.
    Wenn einer der Huldren den Bäumen am Wegesrand einen prüfenden Blick zuwarf, konnte Samuel ihre starren, weit auseinanderstehenden Augen erkennen.
    Schnell zog er seinen Kopf hinter den Baum zurück, um im nächsten Moment wieder hervorzuspähen. Im vom Fackelschein erleuchteten Käfig erblickte er eine Frau mit langen weißen Haaren und einem langen weißen Umhang, deren Haut so weiß war, dass sie im Dunkeln zu leuchten schien.

    Eine rundliche, tonnenförmige Gestalt sang leise ein Lied vor

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