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Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Titel: Im Schlauchboot durch die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Er hatte das Schaustellerleben im Blut —
wie alle seine Vorfahren. Der Wohnwagen war ihm früher eine fast geweihte
Heimstatt gewesen. Was seine ehemaligen Kumpane daraus machten, erschien ihm
wie Frevel.
    »Er sagt, er hätte keine
Ahnung, wo die Goldbarren sind«, brüllte Könken aus dem Klo. Die Tür war nur
angelehnt. »Stimmt das?«, fragte Peschke. »Oder hat’s Annette damals doch
verraten — und du hast das Gold inzwischen verjubelt. Ich meine, den monetären (geldlichen) Gegenwert.«
    »Sie hätte es mir gesagt«,
erwiderte Otto. »Ihr Tod kam dazwischen. Wir wollten eine Art
Flitterwochenreise machen. Natürlich nach Mallorca. Mallorca war ihr Traum. Und
das nächste Mal sollte ich mit. Nach der Reise wollte sie’s mir sagen. Ich war
schon dabei, mich umzuhören. Wo man das Gold verkaufen könne. Aber dann hat ein
Pilotenfehler 142 Menschenleben ausgelöscht. Darunter auch Annette.«
    »Sie war viel zu gut für dich«,
brüllte Könken aus dem Klo.

    »Für dich auch. Eigentlich für
jeden.«
    »Macht keine Heilige aus ihr«,
brummte Meier. »Trotzdem — Prost auf ihr Angedenken. Sie soll ruhen in
Frieden.«
    Alle griffen nach ihren Champagnergläsern
und nahmen einen kräftigen Schluck.
    Könken kam aus der Toilette,
eine Hand auf den Bauch gepresst. Die Hosenträger schleiften am Boden. Er griff
sich ein gefülltes Glas, verzog das Gesicht und rannte zurück.
    »Waldi hatte ihr die Goldbarren
gegeben«, überlegte Peschke mit verkniffener Miene. »Sie sollte...«
    »Ich hasse es, wenn ihr mich
Waldi nennt«, schrie Könken aus dem Klo. »Dann schon lieber Filzlaus.«
    »...das Gold verstecken«, fuhr
Peschke ungerührt fort. »Vergraben. Gold kann man vergraben. Es fault nicht, es
schimmelt nicht, es bleibt wie es ist. Und wenn auf dem Weltmarkt das Gold
knapp wird, steigt sein Wert. Ein echter Wert — keine teuer-geredete Aktie mit
nur heißer Luft dahinter.« Er hob die Stimme wie ein Fastnachtsprediger. »O Mann!
O Leute! Wo ist das Gold? Es muss irgendwo sein!«
    »Falls es nicht jemand zufällig
gefunden hat«, unkte Helmers. »Der ist dann bestimmt nicht zum Fundbüro
marschiert.«
    Otto Kräsch schenkte sich nach.
Seit seine Kumpane hier waren, fühlte er sich um mindestens fünf Jahre junger.
Ja, damals mit 71, da hatte er noch ne Menge Power gehabt. Steckte davon noch
was in ihm?
    Er runzelte die Stirn, die
ohnehin aussah wie Krepppapier.
    »Ganz hinten in meiner
Erinnerung«, meinte er pathetisch, »ist ein verschlossenes Kästchen.«
    »Wie dürfen wir das
verstehen?«, fragte Helmers.
    »Da war irgendwas. Eine
Bemerkung von Annette. Solange sie lebte, war’s unwichtig. Und später — das
weiß ich noch — konnte ich nichts damit anfangen. Jetzt ist die Bemerkung in
nem Kästchen. Und der Deckel geht nicht auf«
    »Überleg!«, brüllte Könken aus
dem Klo. »Reiß dich zusammen! Mit 76 ist man nicht senil (altersdumm). Geistige Einbußen haben wir selber. Aber du warst nicht im Knast.«
    »Heheheh!«, schrie Peschke
zurück. »Ich habe keine Einbußen.«
    Meier und Helmers behaupteten
das Gleiche von sich, räumten lediglich Kreuzschmerzen ein und vertretbare
Sehschwäche.
    Inzwischen hatte Otto sein Glas
gelehrt und war jetzt beim fünften. Offenbar half das.
    »Hah!«, rief er. »Da! Jetzt!
Ich hab’s.«
    Meier, Helmers und Peschke
waren erschrocken zusammengefahren. Aber der fragende Ausdruck in ihren Mienen
überwog.
    Otto trank noch einen Schluck.
    »Es war bei irgendeiner
Gelegenheit. Natürlich ging’s um das Gold. Ich sagte: Annette, ich bin dein
Mann — jedenfalls fast. Wir teilen alles miteinander — Freud und Leid, wie es
so heißt. Wo hast du das Gold vergraben? Und sie hat mich angelächelt mit
diesem unvergleichlichen leichten Schielen und hat erwidert: Direkt unterm
Runen-Baum. — Tja, genauso. Aber ich.
    »Runen-Baum?«, kreischte Könken
im Klo. »Runen-Baum! Runen-Baum! Warum sagst du das erst jetzt? Ich könnte dich
erwürgen, du seniler Opa. Ich...«
    Alles Weitere wurde übertönt
vom Rauschen der Klo-Spülung.
    »Runen-Baum?«, sagte Peschke.
»Was soll das sein? Aber Waldi weiß es offenbar. Wir sollten unsere Feier ins
Klo verlegen, dann muss er nicht so brüllen.«
    Dieser Vorschlag fand keine
Zustimmung. Es war auch nicht mehr nötig. Könken ging es jetzt besser. Er kam
aus der Toilette und setzte sich zu ihnen. Sein eben noch fahles Gesicht wirkte
begeisterungsfrisch. Alle sahen ihn an.
    »Ich weiß, wo das ist. Klar
doch! Und logo! Als Annette noch

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