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Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Im Schlauchboot durch die Unterwelt

Titel: Im Schlauchboot durch die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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das
realistisch? Wie kann ein Kontakt entstehen zwischen Haftentlassenen, die alt
sind, die 20 Jahre abgesessen haben, die erst vor Kurzem entlassen wurden, die
bestimmt nicht mehr fit sind — zwischen denen also und einem Boxweltmeister wie
Charly Flatnose? Sagt der dann zu denen: Ihr kidnappt das Baby meines Gegners.
Damit der nervlich schon vor dem ersten Gong k.o. ist. Ich bin zwar sowieso der
Bessere und werde siegen. Aber die Kidnapperei ist nun mal mein Hobby, denn ich
hab ja ne Vorgeschichte auf dem Gebiet und könnte — falls das bekannt wird —
schwer in Verdacht geraten. Was ja den Spaß erst richtig anheizt. Tja, und dann
bitte macht das genau nach der Methode von damals — wie bei dem Filzballklopfer
Evander Volley. — Also, Leute, ich weiß nicht: Eine Verbindung zwischen
Flatnose und den Knastis halte ich für unmöglich.«
    »Unmöglich ist nichts«, sagte
Tim. »Jedenfalls nicht, wenn’s um Verbrechen und Gemeinheiten geht. Aber
unwahrscheinlich ist es schon. Deshalb, Karl, unterstreiche ich deine
Überlegung. Trotzdem müssen wir uns den Gedanken warm halten, dass die Knastis
die Täter sind. Und dass sie die kleine Susi hier irgendwo versteckt haben.«
    »Vielleicht läuft eine Intrige (Ränkespiel) «,
rief Klößchen.
    »Was meinst du?«
    »Vielleicht fühlen die Knastis
trotz ihrer Gefängnisstrafe total deutsch — so deutsch wie ein echter
Stammtisch-Spießer. Keine Spur von globalem Sportsgeist. Also muss der Deutsche
über den US-Fighter siegen. Falls aber das in die Hose geht, soll Fausto
wenigstens entschuldigt sein und Flatnose soll als Verbrecher dastehen. Ich will
damit sagen: Die Knastis rauben das Baby auf eigene Rechnung. Flatnose hat
nichts damit zu tun. Aber Klein-Susi wird hier in seinem Trainingslager
versteckt — und später auch gefunden. Und alle Welt denkt natürlich, Flatnose
wäre der Schuldige.«
    »Ist auch ne Überraschung«,
meinte Gaby. »Aber ein bisschen weit hergeholt. Tim, was machen wir jetzt?«
    »Wir suchen vier alte Ganoven.«
    »Wie sehen die aus?«
    »Wissen wir nicht. Verlassen
wir uns also auf unseren Instinkt. Aber ich denke mal, die vier treten als Quartett
auf. Und von Senioren-Quartetts wird’s hier ja nicht wimmeln.«
    Er ging voran.
    Die breite Eingangstür des
Gasthofs gähnte in die Landschaft. Dahinter lauerte die erste Überraschung. Ein
Kassentisch war aufgebaut. Eine junge Farbige mit Rasta-Zöpfchen verlangte
Eintritt in mühseligem Deutsch.
    »Fünf Deutsch-Mark. Schüler
drei Deutsch-Mark. Nicht Fotografie. Nicht Smok... äh... rrrauchen!«
    »Wir sind nicht nur Schüler«,
sagte Tim. »Wir sind auch Reporter der berühmten Zeitung HEIMSCHUL-BEOBACHTER.
You know? Hier ist mein Presseausweis. My press-identitycard.«
    Er zog seine Monatskarte für
die städtischen Verkehrsbetriebe aus dem Portmonee und hielt sie ihr hin.
    »Press?«
    »Yes! From school
magazine.«
    Die Kassiererin lächelte
erfreut und TKKG konnten passieren.
    »Frechheit siegt«, flüsterte
Gaby. »Weil die Lady nicht lesen kann, haben wir zwölf Mark gespart.«
    Man hatte den Speisesaal des
Landgasthauses zur Trainingshalle umfunktioniert. Im Ganzen sah’s ähnlich aus
wie bei Fausto Weichler. Nur dass hier andere Boxer rackerten. Flatnose war
nussbraun, bullig und schweißüberströmt. Er machte Sparring (mit einem
Gegner boxen). Auch sein Trainingspartner war nussbraun, bullig und
verschwitzt. Außerdem aus der Schwergewichtsklasse. Beide hatten kahl
geschorene Köpfe. Bei Flatnose fiel der fehlende Hinterkopf auf. Stiernacken
und Schädelrückfront bildeten eine Linie. Der Schwergewichtler hatte einen
Hinterkopf wie das spitze Ende vom Rugby-Ball.

    Vielleicht, dachte Tim, ist er
ne Zangengeburt und der Geburtshelfer war ein Pfuscher.
    Die beiden klatschten sich
gegenseitig dickes Leder auf die Doppeldeckung. Die Zuschauer ringsum zeigten
beeindruckte Mienen. Die Luft roch nach einem Desinfektionsmittel, wie Tim
feststellte. Niemand rauchte. Keine Presse. Nur zwei Frauen — ohne die
Kassiererin und Gaby.
    Tim sah sich sorgfältig um.
    Karl formulierte bereits das
Ergebnis. »Ich sehe weit und breit kein Baby.«
    »Was wir ja auch nicht erwartet
haben«, flüsterte Gaby.
    »Ich sehe aber auch keine
Oldies«, murmelte Klößchen. »Weder solche, die wie Ex-Knastis aussehen, noch
Rentner oder vom Boxsport begeisterte Opas.«
    »Hier ist niemand über 50«,
stellte Tim fest. »Wir sind zwar die Jüngsten, aber die anderen nicht viel älter.«
    »Hast du dich mit dem

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