Im Schlauchboot durch die Unterwelt
Anstrengendes gelernt?«
»Er ist Taxi gefahren«,
antwortete Achim. »Weil er dabei zu viel sitzen musste, hat er zum Ausgleich
mit dem Boxen angefangen. Und siehe da — ein Talent! So ist er gleich Profi
geworden. Amateur war er nie. Deshalb auch erst 22 Kämpfe. Aber alle gewonnen.
Zwar nur nach Punkten. Immerhin, ich meine, er hat durchaus eine Chance gegen
Flatnose. Der ist stark, aber langsam. Gegen schnelle Techniker sah er immer
unbeholfen aus.«
»Fausto ist also Taxi
gefahren«, stellte Tim fest. »Auf eigene Rechnung oder war er angestellt?«
»Angestellt. Bei einem kleinen
Taxiunternehmen. Erwin Kräsch hat nur drei Wagen laufen. Außerdem betreibt er
dieses ulkige Museum. Erwins Panoptikum in der Dombläser-Gasse.«
»Wo der Aborigine ausgestellt
ist — der echte Körper?«, fragte Gaby.
»Genau. Warst du dort?«
»Nur davon gehört.«
Auch die Jungs hatten keinen
Erlebnisvorsprung.
»Ich glaube, wir langweilen
uns«, meinte Tim. »Gaby wollte einen knallharten Fight sehen mit Nasenbluten
und so. Stattdessen geht’s hier zu wie beim Schulsport in Kleinbirklbach.
Achim, bleib sauber! Wir sehen uns.«
Der Reporter umarmte alle zum
Abschied, obwohl es ihm nur um Gaby ging. Tim schob einen Arm dazwischen, als
seine Freundin an der Reihe war.
Achim grinste. »In Richtung
Gaby kommt wohl keiner an dir vorbei.«
»Keiner. Tschüss!«
Draußen schien noch die Sonne.
Die vier Bikes, zusammengekettet mit Kabelschlössern, sahen aus wie ein Verhau
aus Stahl und Chrom.
»Netter Kerl!«, sagte Gaby.
»Aber man muss ihn auf Abstand halten. Ist er zu jedem Mädchen so freundlich?«
»Nur zu den Hübschen.« Tim
grinste. »Keine Ahnung, warum er sich bei dir so ins Zeug legt.«
Dann stöhnte der TKKG-Häuptling
theatralisch und rieb sich die Rippen, wo Gabys kleine Faust gelandet war.
»Du schlägst ja härter als
Fausto. So einen linken Haken wünschte ich dem! Du solltest gegen
Flatnose antreten.«
»Hihih!«, machte Gaby. »Das war
für die Verleumdung. Von wegen, ich wollte einen knallharten Fight sehen.«
»Falls dem nicht so ist, Achim
aber trotzdem blutrünstig über die starken Mädchen am Ring schreibt — über
dich, zum Beispiel — , stelle ich das mit nem Leserbrief richtig.«
»Das hilft gar nichts,
Häuptling. Leserbriefe werden nur von denen gelesen, die sie geschrieben haben.
Alle anderen haben genug zu tun mit dem Rest der Zeitung. Wohin jetzt?
Campingplatz oder Landgasthaus Moorweide — wo Flatnose sich abrackert?«
»Der Campingplatz wäre zu früh.
Wir fahren in die Pampa.«
*
Die letzte Siedlung am
Stadtrand heißt Reddlbach. Von dort führt die schmale Landstraße eine Weile
über Brachland — nicht Wiese, nicht Schutthalde, auch nicht Bau-Erwartungsland.
Dann stellt sich ein Stück Wald wie eine Kulisse vor den Horizont, dahinter
beginnt die Moorweide: Ein Naturschutzgebiet mit vielen Biotopen, wo man keine
Blume pflücken, keinen Zweig brechen darf. Seltene Vogelarten nisten hier. Müll
abzuladen gilt als Kapitalverbrechen und wird auch fast so geahndet.
TKKG radelten gegen den
Frühlingswind an. Der Nachmittag neigte sich. Von Osten her schoben sich dunkle
Wolken über den Himmel. Die Fahrt war nicht lang.
Das Gasthaus Moorweide — ein
ausladender, mehrtraktiger Backsteinbau von mindestens 80 Jahren — liegt in
parkartiger Landschaft, wird also umgeben von Wiese, Heidekraut und Mischwald.
Ein gekiester Parkplatz. Ein
Dutzend Wagen parkte. Außerdem standen Bikes und Motorräder herum. Die Fans,
die Flatnose beim Training zusehen wollten, waren alle im Gasthaus. Die
Eingangstür war geöffnet. Tim hörte Stimmen und die typischen
Boxhallen-Geräusche.
Auf dem Parkplatz stellten TKKG
ihre Tretmühlen zusammen.
Tim, gewohnt auf die Umgebung
zu achten, sah sich um. Und stieß zischend den Atem durch die Zähne.
»Heh, Amigos! Seht mal dort!
Der weiße Mercedes!«
»‘n alter Schlitten«, meinte
Klößchen geringschätzig. »Interessieren dich die Roststellen oder die Beulen?«
»Mich interessiert das
Kennzeichen!«
Gaby und Karl begriffen sofort.
Der Gedächtniskünstler schnaufte ein »Uff! Wirklich?«.
Gaby sagte: »Hat dir also der
Platzwart vom Campingparadies die Kfz-Nummer genannt?«
»So ist es, Pfote: ... CT 333.«
»Auf dem dreckigen
Nummernschild steht ... CT 333.«
»Dann sind die vier Knastis
also Boxfans«, sagte Klößchen.
»Oder sie sind hier, weil sie
mit Flatnose unter einer Decke stecken«, überlegte Karl. »Aber ist
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