Im Schloss aus Glut und Leidenschaft
Gabriel räusperte sich. „Wir haben noch nicht besprochen, wer hinter dem Angriff stecken könnte.“
„Ja, das ist die große Frage“, sagte der Marquess finster. „Nicht für mich“, meinte Sophia und nahm auf einem Stuhl Platz.
Gabriel sah sie verwundert an, blickte dann aber wieder hinüber zu seinem Verwandten. „Nach dem, was Ihre Hoheit mir erzählt hat, wie ihr Land während des Krieges durch verschiedene Hände gegangen ist, könnten mehrere Parteien davon profitieren. Wen verdächtigst du? Diesen Ali Pascha oder jemand anderen? Die Österreicher? Den Zaren? Oder vielleicht die Franzosen?“
Lord Griffith schüttelte den Kopf. „Keinen davon. Sie alle sind jetzt unsere Verbündeten. Selbst Frankreich scheint unschuldig zu sein. Sie scheinen sich noch immer von Napoleon erholen zu müssen.“
Gabriel stemmte die Hände in die Hüften. „Aber Russland hat stets Interesse an einem Hafen im Süden bekundet.“
„Zar Alexander ist ein Freund Englands. Und was die Österreicher betrifft, so versuchten die Habsburger während des Krieges über ihre Besitztümer in Venetien einen alten Anspruch auf Kavros geltend zu machen. Aber es ist schwer, sich vorzustellen, dass sie in Friedenszeiten so etwas wagen würden. Ein solcher Versuch wäre für England ein Schlag ins Gesicht. Alle sind weiterer militärischer Aktionen überdrüssig. Die Kassen sind leer, die Armeen erschöpft. Die Hälfte der Regimenter ist über ganz Europa verstreut, und die Soldaten werden gerade zu ihren Familien nach Hause geschickt. Damit noch einmal anzufangen, nein ...“ Müde schüttelte Lord Griffith erneut den Kopf.
Gabriel runzelte die Stirn. „Nur um ganz sicher zu gehen - es gibt keine noch so vage Möglichkeit, dass dies alles nur eine kriminelle Handlung war? Manche Landstraßen sind dafür bekannt, dass sich dort Straßenräuber ..."
„Nein.“ Lord Griffith wehrte entschieden ab.
Sophia erhob sich wieder. „Ich sagte Ihnen bereits, wen ich als Täter vermute. Ihr lieber Verwandter will aber nicht auf mich hören. Ich würde meine Haut darauf verwetten, dass es Ali Pascha war.“
„Und wer genau ist das?“
„Hoheit“, sagte Lord Griffith und seufzte tief.
Anschließend lächelte der Marquess seinen Schwager geduldig an, als wollte er ihn um Verzeihung bitten für so viel weibliche Unvernunft. Sophia nahm erneut den Zeigestock an sich.
„Ali Pascha - er wird der Schreckliche Türke genannt. Von seiner Hauptstadt Janina aus beherrscht der Tyrann dieses ganze Gebiet.“ Mit einer ärgerlichen wie auch schwungvollen Bewegung zeigte sie auf die Balkanhalbinsel direkt gegenüber von Kavros, dem westlichsten Ausrufer des Osmanischen Reichs an der Nordküste des Mittelmeers.
Gabriel zog eine Augenbraue hoch. „Warum haben Sie im Verdacht?“
„Ali Pascha ist schon lange eine Plage für das griechische Volk. Die wenigen Teile Griechenlands, die nicht von den Osmanen beherrscht werden, hat Ali Pascha versucht zu erobern. Jedes Mal, wenn er wieder seine Grenzen ausdehnen konnte, vertreibt er die griechischen Aristokraten, so auch meinen früheren Leibwächter Leon. Er reißt die Ländereien an sich, die ihren Familien seit Homers Zeiten gehörten, und gibt sie seinen Captains. Viele der griechischen Adligen sind in die Berge geflohen, wo sie gezwungenermaßen als Räuber leben, die muslimische Truppen plündern und so gut sie können für ihre Freiheit kämpfen. Wenn Ali Pascha irgendeinen von ihnen fängt, befiehlt er schreckliche öffentliche Hinrichtungen, um ein Exempel zu statuieren. Dieser Mann ist ein Ungeheuer.“
„Aber, aber Hoheit. Das haben wir doch schon hundertmal besprochen“, warf Lord Griffith ein. Er sprach in einem Ton, in dem sein Glaube an seine männliche Überlegenheit und Erfahrung zum Ausdruck kam. Danach wandte er sich an Gabriel. „Während die Theorie Ihrer Hoheit zweifellos eine gewisse Wahrscheinlichkeit beinhaltet, hat England gerade einen neuen Vertrag mit Ali Pascha geschlossen. Die Marinebasis in Kavros hat uns in die Nähe dieses unangenehmen Burschen gebracht. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, haben beide Parteien einem Nichtangriffspakt zugestimmt.“
„Sie denken schon wieder wie ein Engländer, mein lieber Marquess“, erklärte ihm Sophia, die allmählich die Geduld verlor. „Ali Pascha lacht über Versprechungen, die er Ungläubigen macht. Er spielt mit Ihnen! Lassen Sie seine bisherigen Taten für sich sprechen,
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