Im Schloss der Leidenschaft
Stille, die dieser schockierenden Aussage folgte, nur sein Profil betrachten konnte. In einer Mischung aus Schmerz und Panik erkannte sie, dass er sie tatsächlich hasste. Mehr noch, er betrachtete sie als Feind. Einen kurzen Moment war sie versucht, sich einfach ihrer Furcht hinzugeben, doch dann erwachte in irgendeinem Winkel ihres Herzens ihr Stolz, und sie hob trotzig das Kinn.
„Du willst mich doch gar nicht zurück, genauso wenig wie du mit mir und Jean-Claude die glückliche Familie spielen willst. Ich bin fest entschlossen, die Scheidung einzureichen, Luc, und ich werde mit Haut und Haaren um mein Kind kämpfen. Du wolltest ihn nie. Ich kann sogar beweisen, dass du während meiner Schwangerschaft zu sehr damit beschäftigt warst, mit deiner verdammten Sekretärin zu schlafen, als dass du dir um mich oder dein ungeborenes Kind irgendwelche Gedanken gemacht hättest. Es geht doch gar nicht darum, dass du Jean-Claude bekommst, oder?“ Auch wenn sein Kiefer sich verkrampfte und er so aussah, als wolle er ihr den Hals umdrehen, ließ Emily sich nicht beirren. „Hier geht es nur um deine Besessenheit zu gewinnen, um dein Verlangen, Macht zu demonstrieren. Du wolltest mich nicht, und irgendwann hättest du dich vermutlich von mir scheiden lassen, aber du kannst den Gedanken nicht ertragen, dass ich diejenige war, die dich verlassen hat. Und jetzt willst du dich rächen, indem du mir das Kind wegnimmst, von dem du nicht einmal wolltest, dass esgeboren wird.“
„Genug!“ Wie ein Peitschenhieb knallte seine Stimme durch die Luft, während er den Kopf zu ihr herumriss. „ Mon dieu! Du hast die Zunge einer Hexe. Ich versuche, wirklich fair zu sein, was viel mehr ist, als du verdienst. Du hast meinen Sohn gestohlen. Wie ein Dieb in der Nacht hast du dich und ihn vor mir versteckt. Lass mich eines ein für alle Mal klarstellen, Emily“, stieß er hervor, „ich wollte unser Kind immer. Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, unser Baby in den Armen zu halten, aber in all den Monaten hast du mir nicht einmal gesagt, dass er existiert. Wenn du unbedingt die Scheidung einreichen willst, kann ich dich nicht daran hindern, aber ich werde mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, um Jean-Claude kämpfen und finanziell sind das eine ganze Menge. Wenn du lieber einen Krieg willst, dann soll es eben so sein. Ich hoffe nur, du weißt, worauf du dich einlässt, denn ich werde diesen Krieg gewinnen.“
Währenddessen rauschte der Wagen die Straße hinunter, viel zu schnell, um hinauszuspringen. Die weiche Lederausstattung, der livrierte Chauffeur und die diskrete, aber gut gefüllte Bar deuteten allesamt auf einen Reichtum hin, der aus jedem gerichtlichen Streit Zeitverschwendung machte. Natürlich arbeiteten die besten Anwälte für Luc. Wenn er wirklich das legale Sorgerecht für Jean-Claude wollte, tendierten Emilys Chancen gegen null. Zumindest im Moment schien sie keinerlei Handlungsspielraum zu haben. Wie üblich hatte Luc gewonnen.
„Deine Grausamkeit ist grenzenlos“, flüsterte sie, woraufhin er nur lachte.
„Dass du mir Grausamkeit vorwirfst, wo du doch meinen Sohn gestohlen hast, Emily, ist unglaublich! Ich verzeihenicht leicht, und das werde ich dir niemals verzeihen.“
Zum zweiten Mal schockierte und überraschte sie die kaum verhüllte Bitterkeit in seiner Stimme. Nur ganz allmählich legte sich ihre Panik etwas, während sie sich in Gedanken den hektischen Flughafen vorstellte. Vermutlich wollte Luc nach England fliegen, aber er konnte sie und Jean-Claude kaum an Bord zwingen. Sicher würde sie eine Gelegenheit finden, mit ihrem Sohn zu fliehen.
Also zwang sie sich zur Ruhe, bis ihre Chance kam. Doch in der unheilvollen Stille wanderten ihre Blicke unwillkürlich zu dem Mann, der das Innere des Wagens so stark dominierte. Wie unfair, dass er derart atemberaubend aussah, dachte sie, während sie das Gefühl hatte, jemand steche ihr ein Messer ins Herz. Seine Züge glichen denen einer klassischen griechischen Statue. Obwohl er mittlerweile Ende dreißig war, fehlte jede Spur von Grau in seinem dichten schwarzen Haar. Als sie die Augen schloss, erinnerte sie sich daran, wie sich dieses Haar zwischen ihren Fingern angefühlt hatte, wenn sie seinen Kopf für einen Kuss zu sich hinunterzog.
In den ersten leidenschaftlichen Wochen ihrer Ehe hatte sie sich beinahe selbst davon überzeugt, dass es richtig war, den verschlossenen Franzosen zu heiraten, und dass er es eines Tages lernen würde, sie so zu
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