Im Schloss der schlafenden Vampire
noch
Zeit für alle, endlich mal zur Toilette zu gehen. Tim zog sogar ein frisches
T-Shirt an und erfrischte sich vom Gürtel bis zum Haaransatz mit kaltem Wasser.
Sie gingen hinunter. Tim dachte an Gaby. Sie und Julia beobachteten jetzt
sicherlich die erwachten Vampire bei ihrem abendlichen Ausflug.
Vielleicht haben wir Zeit,
dachte er, und können nachher dazu stoßen.
Klößchen seufzte zum
Steinerweichen, als er an der geöffneten Tür zum Speiseraum vorbeiging. Dort
saßen sie, mampfend, mit frohen Mienen. Offenbar kochte Gastfreys
Küchenpersonal lecker und zeitgemäß, war also nicht fast-food-orientiert,
sondern nahm sich Hausmannskost zum Vorbild wie bei Muttern.
„Muss ich eigentlich unbedingt
mit?“, fragte Klößchen. „Unbedingt!“, nickte Tim ohne Erbarmen.
„Ist schon schlimm, dass wir
auf Gaby verzichten müssen“, behauptete Karl. „Wenn du noch fehlst — wegen
Verfressenheit, kämen Tim und ich uns völlig verloren vor.“
„Hahahaha!“, meinte Klößchen
und drückte eine Hand auf seinen knurrenden Magen.
13. Der Ex
ruft an
Gigantisch!, dachte Gaby. Das
muss man gesehen haben. Diese possierlichen Lebewesen, nützlich und toll
ausgestattet von der Natur. Aber weil sie nun mal nicht aussehen wie fliegende
Models oder TV-Tussis, fürchtet sich der dumme Teil der Menschheit vor den
kleinen Vampiren. Lind irre Lügengeschichten werden erfunden — vonwegen
Blutsauger und Unglücksbote.
Gaby und Julia befanden sich
auf dem Dachboden, waren leise heraufgestiegen in die wabernde Dunkelheit. Hier
war schon Nacht, obwohl draußen erst die Abenddämmerung begann. Auf dem
Dachboden staute sich die Hitze. Es roch nach Staub und — tierisch. Aber nicht
unangenehm, obschon Gaby als unerschütterliche Tierfreundin auch den Duft eines
Affenkäfigs in Kauf nimmt.
Julia hatte die Rotlichtlampe,
um die Tierchen nicht zu erschrecken. Und dort hingen sie — kopfunter an Balken
und Holzdecke, bewegten sich, als müssten sie sich lockern und bereitmachen zum
Ausflug. Alttiere und Junge. Kleine Knopfäuglein glänzten. Die Ohren schienen
zu vibrieren.
Es waren mehr als 90. Eine
Kolonie. Entfernt in einer Ecke hing eine tote Fledermaus, hing dort schon
lange, war vertrocknet.
Die beiden Mädchen blieben, bis
schließlich wie auf Kommando der Abflug erfolgte. Eine Fledermaus nach der
andern sauste los, huschte in die Luke zur Treppe, zog die nächste schon mit
sich und der Dachboden leerte sich. Einmal meinte Gaby, eine Fledermaus hätte
sie gestreift — aber es war nur der Luftzug.
„Man muss sich wundern, wie sie
immer wieder den Weg finden. Wie Spürhunde der Luft — auf der eigenen Fährte.“
Julia lachte und schaltete die Rotlichtlampe aus.
„Jetzt werden rund ums Schloss
Insekten vertilgt?“
Julia nickte. „In der
Morgendämmerung kommen unsere Schützlinge zurück. Tagsüber schlafen sie dann.“
Die beiden jungen Damen stiegen
die Treppe hinunter und gingen zu ihrem Zimmer. Dort lag Julias Mobiltelefon
auf dem Tisch und gab piepsende Töne von sich.
„Wer ist denn das nun wieder?“
Julia meldete sich. Sofort wurde ihre Miene abweisend. „Tag, Steffen“, hörte
Gaby sie sagen.
Aha, der Ex-Freund!, dachte
Pfote. Der Chemie-Student, der Fledermäuse nicht leiden kann.
Julia bedeutete ihr, näher zu
kommen, und hielt den Hörer so, dass Gaby mithören konnte.
„Ja, ich bi... bin’s“,
nuschelte eine etwas harsche Männerstimme.
Julia hielt eine Hand über die
Sprechmuschel. „Ich glaube, er ist betrunken. Sonst stottert er nicht.“
In den Hörer sagte sie: „Ja,
Steffen. Ich höre, dass du das bist. Und was gibt’s? Weshalb rufst du an?“
„Ich... ich muss mit dir
reden.“
„Bitte! Ich höre.“
„Ich... ich will alles wieder
gutmachen, Claudia.“
„Claudia? Ich bin Julia!“
„Äh... ‘tschuldigung! Ich
meine: Julia!“
„Hast du jetzt eine neue
Freundin? Heißt sie Claudia?“
„Nein! Ist schon vorbei. Ich
meine, ich will, dass wir wieder zusammenkommen, Clau... Julia.“
„Hast du getrunken, Steffen?“
„Was... hat das damit zu tun?“
„Du klingst betrunken. Und wer
betrunken ist, weiß nicht, was er redet.“
„Ich weiß, wovon ich rede. Es
war eine... eine herrliche Zeit mit uns. So soll es weitergehen.“
„Vielen Dank, Steffen! Aber ich
bin nicht interessiert. Wir sind zu verschieden. Für dich sind Tiere kaum mehr
als eine Sache. Für mich sind sie ein ganz wichtiger Teil der Schöpfung.“
„Ja, ich weiß“, knurrte
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