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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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er
ungehalten. „Du fährst ab auf diese dämlichen Fledermäuse.“
    „Tschüss, Steffen! Ich lege
jetzt auf.“
    „Verdammt!“, brüllte er. „Dir
sind nur diese Viecher wichtig. Ich bin dir gleichgültig. Zum Teufel mit euch
allen! Ich wünschte, das ganze Schloss würde abbrennen. Samt der Viecher und
allem was drin ist. Morgen gibt’s ein Gewitter. Der Blitz soll bei euch
einschlagen.“
    Julia schaltete ihr Handy aus
und verzog das Gesicht. Gaby war peinlich berührt.
    „Ist der immer so?“
    „Nein. Trotzdem frage ich mich
jetzt, was ich an ihm mal gefunden habe. Er sieht sehr gut aus, weißt du.“ Sie
lachte verlegen. „So was hilft am Anfang über manches hinweg. Wie sein
Charakter ist, habe ich erst später gemerkt.“ Nachdenklich sagte Gaby: „Sind
eigentlich Blitzableiter auf dem Dach? Ich hoffe doch. Das Schloss hat ja schon
recht lange überdauert.“
    „Und Gewitter mit Blitzen gab’s
schon immer“, lachte Julia.
    „Im Brandfall sitzen wir hier
oben in der Falle. Aber es wird nicht brennen. Da bin ich mir ganz sicher.“
    Gaby trat zu einem der Fenster
und sah hinaus. Hinter dem Schloss versteppte der Boden. Früher hatte sich hier
ein gepflegter Park ausgedehnt. Aber das war lange her. Die Dämmerung war
fortgeschritten, das Licht geheimnisvoll. Dort hinten, wo man nur noch Schemen
ausmachen konnte, begann das Moor. Gaby wusste, dass es gefährlich war.
Verbotstafeln — auch beim Schloss — wiesen darauf hin. LEBENSGEFAHR! NICHT
WEITERGEHEN! Hoffentlich, dachte Gaby, ist das für die Jungs keine Einladung,
sich nun gerade dort umzusehen. Aber nein! Klößchen fehlt jeder Wagemut. Karl
wägt alles ab und entscheidet sich im Zweifelsfall dagegen. Mein Tim ist zwar
tollkühn und mega-cool, wenn’s drauf ankommt, begeht aber nie eine Dummheit —
nur um anzugeben. Hätte ich mich im Moor verirrt, käme er sofort. Aber ohne
zwingenden Grund hält er sich fern.
    „Woran denkst du?“, fragte
Julia. „Du siehst so erfreut aus.“
    „Mir ist gerade bewusst
geworden, wie toll es doch ist, wenn man einen starken Typ zur Seite hat.“
    „Tim?“
    „Tim!“
    Julia lächelte. „Und er mag
Fledermäuse?“
    „Er mag jedes Tier. Er würde
sich sogar für die Kreuzottern einsetzen, von denen es hier so viele geben
soll.“ Julia nickte. „Gesehen habe ich noch keine. Die leben hauptsächlich im
Moor.“

14.
Trittbrettfahrer Thorsten Pritsche
     
    Er hieß Thorsten Pritsche. An
seinen Namen hatte er sich gewöhnt. An sein Aussehen würde er sich nie gewöhnen
— aber im Verlauf von 31 Lebensjahren hatte er gelernt, mit seinen Komplexen
umzugehen. Groß war er zwar, aber dürr wie Maschendraht, ohne Muskeln und festes
Fleisch. Seine Haltung und die Art, wie er sich bewegte, ließen glauben, er sei
gerade von einer schweren Krankheit .genesen, zumindest auf dem Wege der
Besserung. Ja, er schnürte umher, als hätte er sich soeben in die Hose gemacht,
als hätte er weiche Knie und keinen Saft mehr im Rückgrat. Wie so viele
Schwächlinge war er Kettenraucher. Zum Frisör ging er auch nicht, sondern trug
das rotblonde Haar lang und — bei der Arbeit — zusammengebunden als
Pferdeschwanz.
    Arbeit? Eigentlich etwas, das
Pritsche nicht mochte. Trotzdem — der Mensch braucht Einkünfte zum Leben. Und
Pritsche ließ sich entlohnen als Mann-für-alles. Diesen nicht klar umrissenen
Job hatte er bei Hühnerfutter-Heymwacht. Und der — ein sozialer Arbeitgeber —
bezahlte ihn gut, obwohl Pritsche jede Arbeit — auch die leichteste — aufs
Dreifache ausdehnen konnte, denn Langsamkeit war sein Prinzip. Immer schön
langsam! Nicht anstrengen! Keinen Tropfen Schweiß vergeuden!
    Pritsches Aufgaben waren
vielfältig. Er mähte den Rasen, harkte Beete und Wege, fegte den Hof, wusch die
drei privaten Fahrzeuge der Heymwachts, putzte die Fenster der Villa und
besorgte Einkäufe im Dorf. Bei schlechtem Wetter fuhr er Lena — die schon die
erste Klasse besuchte — zur Schule.
    Er wohnte im Dorf, stammte aber
aus der Millionenstadt, liebte Zigaretten und TV-Übertragungen von hirnrissigen
Autorennen — so genanntem Automobilsport. Wenn dabei die Fetzen flogen und
vielleicht sogar ein Fahrer tödlich verunglückte, konnte Pritsche richtig in
Ekstase geraten. Er hoffte jedes Mal, irgendwas Dramatisches würde passieren.
    Gerade eben hatte er den
Rasenmäher in den Geräteschuppen gestellt. Ein langer Tag war das gewesen.
Jetzt war Freitagabend. Mit der 52. Zigarette an diesem Tage läutete Pritsche
das

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