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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ehemalige
Gaststube sehen, den jetzigen Speiseraum, zweckmäßiger eingerichtet als ehedem,
aber nicht minder gemütlich. Dort wurde noch immer gespeist — und Klößchen lief
das Wasser im Munde zusammen.
    Wenn wir hier noch lange
stehen, dachte Tim, kriegt er total schlechte Laune. Gut drauf sein — heißt bei
ihm immer auch: satt sein.
    Eine Vierergruppe
unternehmungslustiger Mädchen kam aus der Herberge, etwas älter als die Jungs, aber
im anbrechenden Abend fiel das kaum auf. Kontaktfreudiges Lächeln strahlte auf
bei den Girlies. Offenbar hatten sie im Speise- wie auch im Aufenthaltsraum
keine akzeptablen Typen ausgemacht. Eine kleine Pummelige äugte Klößchen an,
eine Magersüchtige mit randloser Brille schien sich für Karl zu interessieren.
Tim fand den Beifall eines langhaarigen Jungmodels, das mit feurigen Blicken
schmiss. Aber der TKKG-Häuptling dachte an Gaby und wandte den Kopf ab.
    „Hallo!“, meinte Karl. „Schöner
Abend heute. Verirrt euch nicht im Dorf.“
    „Verirrt ihr euch nicht!“,
erwiderte das Pummelchen. „Wir gehen ins Eiscafé Frostzauber. Kommt ihr mit?“
    „Hört sich gut an“, erwiderte
Klößchen. „Aber wir werden erst um Mitternacht dazu stoßen. Vorher sind wir
verabredet mit dem hiesigen Mafia-Boss. Er hat hinten im Kuhstall eine
Geldwaschanlage. Die will er uns zeigen.“
    „Hihih!“, machte das Model und
schritt davon, als hätte sie einen Laufsteg unter ihren Sneakers.
    „Schade!“, meinte Klößchen, als
auch die andern außer Hörweite waren. „Mit der Breitnudel hätte ich gern ein
Schoko-Torten-Wettessen gemacht. Ich glaube, sie würde gewinnen.“
    In diesem Moment kam Holger
Lützen die Dorfstraße herauf und steuerte auf die Jungs zu.
    Sie begrüßten den Kommissar.
    Er galt als tüchtig. Gabys Vater
sprach nur lobend von ihm. Er war 37, hatte eine nette Frau und zwei kleine
Kinder. Im Präsidium wurde er gerühmt als der beste Pistolenschütze. Den Audi
hatte er, wie Tim wusste, aus zweiter Hand gekauft und selbst technisch
aufgepeppt. Jetzt fuhr der Wagen fast rennmäßig. Aber Lützen war natürlich kein
Raser, sondern lediglich ein Technik-Freak, der sogar den Staubsauger
reparieren konnte.
    „Ich habe den Kollegen Glockner
über Teckenburg informiert“, berichtete er. „Dein künftiger Schwiegervater,
Tim, wird sich schlau machen und zurückrufen. Allerdings — er wusste auf
Anhieb, dass ein gewisser Carlos Teckenburg irgendwann mal in einen Brandfall
verwickelt war. Zumindest bestand damals der Verdacht, er könnte einen Brand
gelegt haben.“
    „Aber es war nur ein
Verdacht?“, fragte Tim.
    „Offenbar.“
    „Passt nicht zu einer
Kindesentführung“, sagte Karl, „auch nicht zu einem Autodieb.“
    „Aber es passt zu einem
Gebäudeplan“, Tim schnippte mit zwei Fingern. „Klar doch! Was ein richtiger
Brandstifter ist — der hält nicht nur die Fackel an den Türrahmen, nein, der
geht akademisch vor. Ich meine, der informiert sich total — am besten beim
Architekten, sozusagen bauplanmäßig, denn richtiges Abfackeln ist eine Kunst.“
    „Langsam, Tim!“ Lützen
lächelte. „Bis jetzt ist es nur ein offenbar unsympathischer Typ, der Tiere
nicht achtet, in einem Wohnmobil das Wochenende verbringt und einen Grundriss
vom Schloss bei sich hat. Könnte ja auch jemand sein, den die Architektur alter
Bauwerke besonders interessiert.“
    „Hm.“
    „Erst mal überprüfen wir seine
Stimme. Ich habe noch genau im Ohr, wie der Kidnapper klingt. Es war lachhaft.
Immer wieder fiel der in seine normale Tonlage zurück.“
    „Er wusste ja nicht, dass Sie
mithören“, meinte Karl.
    Sie zogen los.
    Die Straßen hatten sich wieder
gefüllt. Tim begriff: Prinzenruh war nur noch nebenbei Bauerndorf. Es war
längst aufgestiegen zur Sommerfrische, zum Luftkurort — oder wie auch immer die
heilklimatischen Bezeichnungen sind. Ländlichkeit paarte sich mit der
Attraktion, dem Schloss. See und Umgebung vereinten sich zum stadtnahen
Wochenend-Juwel. Außerdem wollen laut Umfrage, dachte Tim, 56 Prozent aller
Deutschen auf dem Lande leben und nicht in der Stadt. Und wenn schon Großstadt
— dann aber so oft wie möglich raus. Doch draußen darf es nicht zu langweilig
sein. Deshalb gibt es hier inzwischen das Eiscafé Frostzauber und einen
Billardsalon, zwei Cafés, ein Bistro und die drei Gasthäuser. Himmel, da ist
was los in Prinzenruh. Und sogar das kapitale Verbrechen hält Einzug. Denn hier
ist zumindest einer, bei dem sich Verbrechen lohnt.

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