Im Schloss des spanischen Grafen
ein. So verliebt, wie Jemima war, stürzte sie sich kopfüber in eine leidenschaftliche Affäre mit ihm. Er mietete eine Wohnung, nicht weit von dem Hotel entfernt, in dem sie arbeitete, und sie verbrachten jede freie Minute zusammen.
Für Jemima war es die glücklichste Zeit ihres Lebens. Seine Pflichten gegenüber Geschäft und Familie führten Alejandro oft von ihr fort, auch wenn sie lieber zusammen sein wollten, aber an ihrem zwanzigsten Geburtstag machte er ihr einen Heiratsantrag. Ein Liebesgeständnis hatte er ihr nie gemacht, hatte nur gesagt, dass er unmöglich noch länger so viel Zeit in England verbringen könne. Er hatte die Ehe wie den nächsten logischen Schritt klingen lassen.
Seiner Familie hatte er Jemima vor diesem wichtigen Schritt nicht vorgestellt, ohne Zweifel, weil er sich die Reaktion seiner Angehörigen über die schlichte englische Braut hatte ausmalen können. Wenige Wochen nach seinem Antrag heirateten sie kirchlich in London, nur im Beisein zweier Zeugen. Bis dahin hatte Jemima noch immer keine Vorstellung davon, wie sein Leben in Spanien aussah. Sie war wie das sprichwörtliche Lamm zur Schlachtbank ihrer Unwissenheit geführt worden …
Jemima riss sich aus den schmerzlichen Erinnerungen. Das naive, bis über beide Ohren verliebte junge Ding existierte nicht mehr. Inzwischen war sie Herrin über das eigene Schicksal.
Sich an diesem Gedanken festhaltend, griff sie zum Telefon und rief Alejandro an. „Wir müssen über Alfie reden.“
„Hätte dir das nicht einfallen können, solange ich noch bei dir war?“, kam es trocken von ihm zurück.
„Ich bin nicht wie du, ich plane nicht alles im Voraus“, verteidigte sie sich.
Alejandro schlug vor, dass sie sich morgen Nachmittag in seinem Londoner Apartment treffen sollten, zusammen mit Alfie.
„Ich weiß, du möchtest ihn sehen, aber ich denke, wir sollten ihn besser da raushalten. Höchstwahrscheinlich werden wir uns streiten.“
Ihr Einwand wurde akzeptiert und man einigte sich auf eine Zeit.
Lange nach dem Gespräch stand Jemima reglos da und überlegte, welches Kaninchen sie aus dem Hut zaubern könnte, um Alejandro zu überzeugen, dass es wesentlich besser für den gemeinsamen Sohn war, bei der Mutter in England aufzuwachsen …
4. KAPITEL
Es war nicht das Apartment, das Jemima von früher kannte. Dieses hier lag zentraler und war wesentlich größer und moderner.
Ein Butler führte sie in einen Salon, in dem beeindruckende moderne Gemälde an den Wänden hingen – die passende Umgebung für eine Familie, die eine Kette von renommierten Kunstgalerien besaß.
Jemima erblickte ihr Spiegelbild in einer der Glasscheiben und entschied, dass sie sehr jung wirkte, obwohl sie sich mit hohen schwarzen Stiefeln, kurzem schwarzen Rock und rotem Pullover sorgfältig zurechtgemacht hatte. In ihrem Leben bestand keine Notwendigkeit für übertrieben schicke Garderobe, Geld, das übrig blieb, investierte sie lieber in ihr Geschäft oder legte es auf die hohe Kante. Nach einer Kindheit und Jugend, in der Bares oft knapp gewesen war, brauchte sie das Gefühl von Sicherheit in Form eines gut gefüllten Sparbuchs, sollte einmal ein Notfall eintreten.
Alejandro kam durch eine Seitentür in den Salon. Sein eleganter Nadelstreifenanzug stammte ganz offensichtlich aus kunstfertiger Schneiderhand und betonte seine maskuline Statur. Jemimas Blick wurde von seinem attraktiven Gesicht angezogen, ihr fiel der dunkle Bartschatten auf Wangen und Kinn auf, und für einen Moment war sie in der Erinnerung verloren, wie sich diese Stoppeln morgens auf ihrer Haut angefühlt hatten. Sofort schoss ihr das Blut in die Wangen, und ihr Herz hämmerte, als wäre der Boden unter ihren Füßen weggesackt.
„Passt deine Freundin auf Alfie auf?“, fragte er sie.
„Ja. Die Nachmittage verbringt er allerdings immer in seiner Spielgruppe“, erklärte sie.
Ein Getränk schlug Jemima aus und wartete ab, bis Alejandro sich einen Kaffee eingeschenkt hatte. Das Aroma schwebte in der Luft, prompt wurden wieder Erinnerungen in ihr wach. Alejandro hatte ihr beigebracht, einen „anständigen“ Kaffee aus frisch gemahlenen Kaffeebohnen zu machen. Es hatte so viele Dinge gegeben, die für ihn selbstverständlich waren und von denen sie noch nie gehört hatte. Von Anfang an war sie von seiner Weltgewandtheit und seinem Stil gefesselt gewesen.
Vor der Hochzeit – bevor die Dinge so schrecklich schiefgelaufen waren – hatte er sie einfach auf seine Arme gehoben
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