Im Schloss des spanischen Grafen
alles vergessen können. Doch diese Erinnerung würde sie niemals preisgeben. Um ihre aufgewühlten Emotionen zu kaschieren, setzte sie für die gesamte Fahrt zum Cottage eine steinerne Maske auf.
„Du hast mir noch immer nicht gesagt, wieso du hier bist“, beschwerte sie sich auf dem Weg zu ihrer Haustür.
„Wir reden drinnen.“
Sie musste sich eine beißende Bemerkung verkneifen. Alejandro übernahm in jeder Situation das Kommando. Dass er meist richtig damit lag, ärgerte sie nur noch mehr.
Im Haus entlohnte sie als Erstes den Babysitter. Audra wohnte nur ein Stück die Straße hinunter, und das Arrangement passte ihnen beiden gut.
„Lässt du immer ein Kind auf ein Kind aufpassen?“, wollte Alejandro wissen, als das junge Mädchen gegangen war.
„Nein, durchaus nicht“, erwiderte Jemima kühl. „Audra mag jung aussehen, aber sie ist achtzehn und macht eine Ausbildung zur Krankenschwester.“
Alejandro sah wohl keine Veranlassung, sich zu entschuldigen. Jemima zog ihre Jacke aus und hängte sie an den Haken. „Für einen Höflichkeitsbesuch ist es ein wenig zu spät.“ Sie vermied es, ihn anzusehen. Die Erinnerung an den heißen Kuss war noch zu frisch. Aber sie würde auch nicht nachgeben und jetzt die perfekte Gastgeberin spielen.
„Ich will meinen Sohn sehen.“
Das Bekenntnis, vorgebracht mit rauer Stimme, schlug mit der Macht einer Flutwelle über Jemima zusammen. Das Ergebnis des Vaterschaftstests lag also vor und hatte, wie nicht anders erwartet, ihre Behauptung bewiesen. Dennoch zeigte Alejandro nicht das geringste Anzeichen von Reue, obwohl eine Entschuldigung mehr als fällig wäre. Sie hob ihr Kinn. „Alfie schläft.“
„Ich sehe ihn mir auch an, wenn er schläft.“ Die Aufregung konnte er nicht verbergen.
Seine Miene rührte etwas tief in ihr an und ließ sie für einen Moment schwach werden … aber nur für einen Moment. „Als ich dir sagte, dass er dein Sohn ist, wolltest du mir nicht glauben.“
„Lass uns nicht länger darüber debattieren, jetzt kenne ich die Wahrheit. Seit heute Morgen weiß ich, dass er mein Kind ist. Ich kam, so schnell ich konnte.“
Seine Eindringlichkeit beunruhigte sie, auch wenn sie sich sagte, dass eine solche Reaktion wohl zu erwarten gewesen war. Schließlich hatte er gerade herausgefunden, dass er Vater war. „Ich führe dich nach oben“, bot sie an, in der Hoffnung, die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen.
Hinter Jemima ging Alejandro leise in das Kinderzimmer und trat an das Kinderbettchen, um den schlafenden Jungen zu betrachten. Mit den wirren dunklen Locken und den im Schlaf leicht geröteten Wangen sah Alfie in den Augen seiner Mutter wie ein Engel aus.
Lange blieb Alejandro so stehen, die Finger um den Gitterrand geklammert, die Wimpern gesenkt, sodass der Ausdruck in seinen Augen nicht zu erkennen war. Dann hob er abrupt den Blick zu Jemima. „Ich will ihn mit nach Hause nehmen, nach Spanien.“
Eine Erklärung, die sie traf wie ein Eimer kalten Wassers, sie schockierte und jähe Angst in ihr aufschießen ließ. Von der Tür aus konnte sie sehen, wie Alejandro einen letzten zärtlichen Blick auf seinen Sohn warf. O ja, Alejandro konnte zärtlich sein, doch war es ein Gefühl, das er nicht oft zeigte. An dem Tag, als sie ihm sagte, sie sei schwanger, hatte er sie auch mit diesem Blick angesehen. Und es war dieser Blick gewesen, der am Ende alles so schwierig gemacht hatte. Wie sollte sie ihre damalige konfuse Reaktion rechtfertigen, wenn Alfie heute der Dreh- und Angelpunkt ihrer Welt war?
Ich will ihn mit nach Hause nehmen, nach Spanien. Alejandros unmissverständliche Ankündigung hallte unablässig in ihrem Kopf wider, während sie die Treppe wieder hinunterstieg. Es war nur verständlich, dass Alejandro Alfie in seine Familie einführen und sicherstellen wollte, dass der Junge erfuhr, in welches Erbe er väterlicherseits hineingeboren worden war. Jemima ermahnte sich, nicht überzureagieren.
Dennoch hörte sie sich abrupt fragen: „Was meinst du damit, dass du ihn nach Spanien mitnehmen willst?“
Erst zog Alejandro sich den hellen Kaschmirmantel aus und legte ihn über eine Sessellehne, bevor er sich zu Jemima umdrehte. Der anthrazitfarbene, maßgeschneiderte Anzug betonte seine Statur und seine breiten Schultern. In seiner Miene zeigte sich keine Regung, aber in seinen Augen blitzte die Herausforderung.
„Ich kann dir das Sorgerecht für meinen Sohn nicht lassen“, erklärte er unumwunden. „Ich bin
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