Im Schloss des spanischen Grafen
Misstrauen und seine Weigerung, ihr zu glauben, jagten einen Kälteschauer über sie. Sie machte sich aus seiner Umarmung frei und rollte sich an den äußersten Bettrand, um ihn argwöhnisch anzusehen. Er bot das Bild völliger Entspanntheit, das schwarze Haar wirr, weil sie mit den Fingern darin gewühlt hatte, die Bartstoppeln noch immer auf Kinn und Wangen, denn zum Rasieren war er nicht mehr gekommen. Doch in ihrem Innern sprudelte das Gefühl unglaublicher körperlicher Befriedigung, eine Quelle, die seit ihrem damaligen Abschied von Spanien versiegt war. Nur würde es lange dauern, um die Scham zu verarbeiten, wie hemmungslos sie ihr Begehren gezeigt hatte.
Den Kopf auf dem Kissen, drehte Alejandro das Gesicht zu ihr. „Sicherlich siehst du ein, dass wir aus unserem Zusammenleben nur dann einen Erfolg machen können, wenn wir die Vergangenheit akzeptieren, wie sie ist?“
Trotzig verzog Jemima die vollen Lippen. Jetzt war er also noch einen Schritt weitergegangen – nicht nur weigerte er sich, ihr Glauben zu schenken, er wollte ihre Ausführungen nicht einmal mehr anhören. Was konnte sie da schon von der Zukunft erwarten, wenn er an der Überzeugung festhielt, sie wäre ihm untreu gewesen?
„Erst duschen, dann Dinner“, brach er mit seiner knappen Anweisung das drückende Schweigen. Er griff nach Jemimas Hand und zog sie mit sich vom Bett hoch.
„Wo warst du heute? Wieso war es nötig, mir eine Nachricht zu hinterlassen? Was ist passiert?“, fragte Jemima abrupt, als er sie hinter sich her zum Bad zog.
„Pepe, einer der Arbeiter in den Weinbergen, ist mit dem Traktor verunglückt und wurde schwer verletzt.“ Alejandro presste die Lippen zusammen. „Er hat es nicht geschafft. Ich bin bei seiner Frau im Krankenhaus geblieben, um sie zu trösten. Ihr einziges Kind lebt im Ausland, die anderen Verwandten sind alle schon älter. Bis ich die Frau nach Hause gebracht und der ganzen Familie mein Beileid ausgesprochen hatte …“
Jemima war entsetzt über das, was sie hörte. „Ich kann mir vorstellen, wie schrecklich es gewesen sein muss. Es tut mir leid. Hätte ich das gewusst, hätte ich nichts gesagt …“
„Aber du wusstest es nicht und hattest somit das Recht, dich zu beschweren.“ Dass er das Thema so schnell abtat, sagte ihr, dass er nicht mehr darüber reden wollte. Tatsächlich war der Tag lang und anstrengend gewesen …
Unter dem prasselnden Wasserstrahl in der großen Duschkabine lehnte er sich an die geflieste Wand und schloss für einen Moment die Augen. Ja, er sah wirklich müde aus. Das schlechte Gewissen meldete sich in Jemima, dennoch wehrte sie sich gegen dieses Gefühl. Zu oft in ihrer Ehe war sie sich schuldig und eigennützig vorgekommen, nur weil sie mehr Zeit mit Alejandro verbringen wollte. Immer hatte er etwas Dringendes zu tun gehabt, etwas, das wichtiger war als sie. Aber mit Sicherheit hatte Alejandros Anwesenheit Pepes Frau und Familie Unterstützung geboten und ihnen Trost gespendet. Alejandro war der Typ, der in Krisen Stärke und Verlässlichkeit bewies, das wusste sie.
Und genau daher hatte sie sich oft gefragt, warum er sie im Stich gelassen hatte, als sie ihn am nötigsten brauchte. War sie als seine unglückliche und unpassende Ehefrau einfach nur ein weiteres Problem gewesen? Eines, von dem er froh war, es los zu sein? Es war dumm von ihr, zu vergessen, warum er sie nach Spanien zurückgeholt hatte – damit sein Sohn in seinem Haus lebte.
Jemima machte sich nicht die Mühe, sich anzuziehen, schlüpfte nur in ein Nachthemd und warf einen Satinmorgenmantel über. Dann ging sie zu Alejandro in den Salon, wo trotz der späten Stunde das Dinner angerichtet worden war. Alejandro selbst hatte Jeans und ein schwarzes T-Shirt übergestreift, er sah darin nicht nur jünger und zugänglicher, sondern auch umwerfend gut aus.
Eine Vase mit frischen Margeriten schmückte den Tisch und erinnerte Jemima jäh an die Episode, als Alejandros Mutter einen Strauß wilder Blumen, den Jemima gepflückt hatte, unzeremoniös in den Abfall geworfen hatte. In jenen Tagen war sie noch naiv und leicht zu verletzen gewesen. Kaum reif genug, um Ehefrau zu sein, geschweige denn Mutter, hatte sie mehr als nur eine unweise Entscheidung getroffen und war davongerannt, sobald es schwierig geworden war.
Über den Tisch hinweg musterte Alejandro seine Ehefrau. Das helle Haar hatte sie in einem wirren Knoten aufgesteckt, sie trug keinerlei Make-up – und war fesselnd schön mit ihren
Weitere Kostenlose Bücher