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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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einem Stahlseil, er war nicht massig wie der eines Bodybuilders. Cals Arme sahen aus, als hätte er sein Leben lang geklettert.
    Ein kalter Nebel senkte sich auf sie nieder, als die Wolke den Berg umhüllte, und innerhalb weniger Sekunden schwand die Sichtweite auf null Meter.
    Sie wusste, dass er noch da war, sie konnte ihn am Seil spüren, aber sie konnte ihn nicht mehr sehen. »Cal!«
    »Ich bin noch da.«
    Er klang so gelassen, als wären sie auf einem Spaziergang. Eines Tages musste sie mit ihm darüber reden; das war unnatürlich. »Ich kann dich nicht sehen, also sprich mit mir, verdammt noch mal. Sag mir alles, was du tust, sag mir jeden Handgriff. Ich muss mich darauf einstellen. «
    Er erfüllte ihren Wunsch und erstattete fortlaufend Bericht, bis der Wind den Dunst verwehte und er wieder in Sicht kam. So ging es die nächste Stunde weiter, immer wieder umhüllte sie diesige Luft, um sich wenig später wieder aufzulösen, je nachdem, wie dunstig es war und wie tief die Wolken hingen. Zwischendurch verdichtete sich der Dunst zu schwerem Nebel, und beide machten Pause, um die dünnen, billigen Capes überzustreifen, die zumindest ihre Kleidung trocken halten würden. Sie hatten die Capes als Regenschutz mitgenommen, weil sie so leicht waren, nur konnten sie damit unmöglich klettern. Darum warteten sie einfach ab, bis sich der Nebel wieder verzogen hatte. Sobald sie die Capes ausziehen konnten, kletterten sie weiter.
    Weil das Wetter das Klettern erschwerte, war es schon kurz nach zehn Uhr vormittags, als sie endlich das obere Ende der Felswand erreicht hatten, die jedoch bei Weitem nicht so hoch war, wie sie insgesamt aufsteigen mussten. Vor ihnen ragte ein dicht mit Bäumen bewachsener, steiler Berghang auf; um hinaufzugelangen, mussten sie sich nach Norden statt Nordwesten halten, ihre eigentliche Zielrichtung, aber ihnen blieb nichts anderes übrig, als den geographischen Gegebenheiten zu folgen.
    Nachdem sie ein paar Schlucke Wasser genommen sowie ein paar Happen Müsli verspeist hatten, wickelten sie die Seile sorgfältig wieder auf, hängten sie über ihre Schultern und machten sich erneut auf den Weg, diesmal unter
    Cals Führung. Es begann zu nieseln. Sie zogen ihre Capes wieder über und wanderten weiter.
    »Reden wir!«, dröhnte Toxtel, die Hände an den Mund haltend, damit der Ruf weiter trug.
    Zu blöd, dachte Goss, dass er nicht wusste, ob ihn überhaupt jemand hören konnte. Dieses ganze verdammte Pack war spurlos verschwunden, vom Erdboden verschluckt, als hätte es nie existiert. Selbst die Leichen waren verschwunden. Als ihm und Toxtel das am Morgen aufgefallen war, war ihnen kurz anders geworden, weil Teague dermaßen mit seinen Infrarot-Geräten angegeben hatte und ihn diese Bauerntrampel dennoch ausgetrickst hatten. Es war Zeit für den nächsten Schritt, bevor diese Verrückten Gelegenheit hatten, sich etwas Neues auszudenken.
    Toxtel bellte jetzt schon seit gut fünfzehn Minuten, doch auf der anderen Seite war nicht die kleinste Bewegung erkennbar. Er hätte genauso gut in den Wind furzen können, so wirkungslos waren seine Rufe verhallt.
    Nach einer halben Stunde war Toxtel zwar heiser, aber dafür erschien endlich an der Tür des ersten Hauses eine Hand, die ein weißes Tuch schwenkte. Erst nachdem Toxtel erneut gerufen und ebenfalls die Flagge geschwenkt hatte, zeigte sich ein alter Tattergreis auf der Veranda.
    Der Alte sah aus wie über neunzig, überlegte Goss, während er fassungslos verfolgte, wie der Mann sich die Stufen hinabmühte und die hundert Meter zu den zerfetzten Überresten der Brücke hinunterwackelte. Hatten sie keinen Besseren, den sie schicken konnten? Aber warum sollten sie ihren besten Mann schicken? Wozu dieses Risiko eingehen? Wenn er es recht bedachte, war der Alte eine wirklich gute Wahl.
    »Was wollt ihr von uns?«, verlangte er miesepetrig zu wissen, allem Anschein nach verärgert, dass er den weiten Weg zu Fuß gehen musste.
    Toxtel kam gleich auf den Punkt. »Diese Nightingale hat etwas, das wir wollen. Sag ihr, sie soll es rausrücken, dann ziehen wir uns zurück und verschwinden.«
    Der Alte starrte über die Schlucht, die sie trennte, und ließ die Kiefer mahlen, als müsste er den Gedanken erst gründlich durchkauen. Schließlich sagte er: »Ich werde es ausrichten«, drehte sich um und ging den gleichen Weg zurück, ohne sich darum zu scheren, ob Toxtel und Goss noch etwas zu sagen hatten. Die beiden gingen wieder in Deckung und sahen dem alten

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