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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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gerade eine Ruhepause einlegten, und dann Hilfe holen gehen; oder alle sechs ausschalten, einen nach dem anderen, wobei es so aussehen musste, als hätten sie sich untereinander in die Haare bekommen, und danach Hilfe holen. Er konnte das schaffen; er konnte das ohne große Schwierigkeiten so hindrehen. Der Gedanke gefiel ihm wirklich gut. Er wollte nicht, dass auch nur einer von diesen Drecksäcken mit dem Leben davonkam.
    Im Allgemeinen war er ein lockerer Typ, aber nur, wenn man ihm nicht allzu frech auf die Füße stieg. Und diese Typen hatten auf seinen Zehen Tango getanzt.
    Er behielt seine Uhr im Auge. Bestimmt fand der Wachwechsel nicht zu zivilen Zeiten wie neun Uhr morgens und abends statt, sondern zu Soldatenzeiten wie mittags und Mitternacht oder jeweils um sechs Uhr. Falls sich um sechs Uhr nichts regte, dann bedeutete das, dass alle Schützen schon seit zwölf Uhr mittags Wache hielten und inzwischen müde waren, aber noch weitere sechs Stunden durchhalten mussten. Ein gewiefter Taktiker hätte die Wachablösung gestaffelt angeordnet, den einen Posten mittags und um Mitternacht wechseln lassen und den anderen jeweils um sechs, damit immer ein ausgeruhter Mann Wache hielt, während der andere allmählich ermüdete, aber die meisten Menschen wählten den einfachsten Weg, und der war vorhersehbar. Der menschliche Geist schreckte vor allem zurück, was zu kompliziert war.
    Um achtzehn Uhr blieb alles ruhig. Er konnte keine Aktivität feststellen.
    Zu blöd. Wenn um sechs eine frische Schicht den Dienst angetreten hätte, hätte er bis Mitternacht abgewartet und sie müde werden lassen, dann hätten sie alle ein paar Stunden länger gelebt.
    Leise wie eine Schlange kroch Cal mit langsam gesetzten Bewegungen höher auf den Berg, bis er oberhalb der vermuteten Stellungen war, und suchte von dort aus das Gelände penibel Abschnitt für Abschnitt nach dem ersten Schützen ab. Cal hatte seine Silhouette mit großem Aufwand unkenntlich gemacht und die militärolive Decke um sich geschlungen. Außerdem hatte er Stoffstreifen abgetrennt und sie um seine Hände und Finger gewickelt, um sie warm zu halten und um zu vermeiden, dass er irgendwo verräterische Fingerabdrücke hinterließ. Unter einen weiteren Stoffstreifen, den er um seinen Kopf gebunden hatte, hatte er Blätter und Zweige gesteckt. Wenn er sich nicht bewegte, war er ohne technische Hilfsmittel nicht zu entdecken.
    Die Zeit verging, ohne dass er etwas sah. Er begann sich zu fragen, ob er sich vielleicht in der Position geirrt oder ob sie ihre Stellungen verlegt hatten; falls Letzteres zutraf, saß er womöglich in der Tinte, und es hatte in diesem Augenblick jemand seinen Hinterkopf im Visier. Doch sein Kopf blieb heil, und so setzte er seinen quälend langsamen Vormarsch fort, immer auf der Suche nach etwas, egal was, das ihm die Position des ersten Schützen verraten würde.
    Ungefähr fünf Meter rechts vor ihm blinkte Metall auf, dann folgte ein winziges grünliches Glühen, das sofort wieder erlosch. Das dumme Arschloch hatte die Beleuchtung seiner Armbanduhr gedrückt, um festzustellen, wie spät es war. Zu blöd. Bei einem solchen Unternehmen trug man keine Uhr, die beleuchtet werden musste; sondern eine mit Leuchtzeigern, deren Glas mit einer dunklen Folie abgedeckt war. Der Teufel steckte wirklich im Detail, und dieses winzige Detail hatte soeben den Schützen verraten. Ansonsten war die Stellung exzellent gewählt; der Typ lag auf dem Bauch, wodurch er das Gewehr beim Schießen aufstützen konnte, die Felsen boten ihm Deckung. Sein Kopf ragte nicht über die Steine hinaus, und genau deshalb hatte Cal ihn nicht gesehen.
    Selbst nach so vielen Stunden war der Mann ganz darauf konzentriert, das Zielfernrohr in einer langsamen, gleichmäßigen Bewegung über den Ort zu schwenken. Er ahnte nicht, dass Carl sich anschlich, nicht einmal, als Cal nur noch ein Flüstern von ihm entfernt war. Er starb, ohne auch nur zu begreifen, dass seine Stunde geschlagen hatte und sein Rückgrat beim zweiten Halswirbel brach.
    Es war ein schwieriger Handgriff. Er erforderte Geschick, Technik und viel Kraft. Es war zudem schwierig, ihn zu trainieren, da nicht viele Menschen so dumm waren, sich für ein Training zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund wurde er meist im Einsatz geübt, wo ein Fehler teuer zu stehen kommen konnte.
    Der Kerl erschlaffte, und der aufsteigende Gestank verriet Cal, dass er tot war, obwohl ihn schon das hörbare Knacken überzeugt hatte.

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