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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Laytons Sachen überlassen haben, verschwanden Sie, ohne jemanden zu verletzen?«
    »Genau. Sie haben niemanden verletzt.«
    Calvin gab ihr ein Zeichen, dass er mit Marbury sprechen wollte. Cate zog die Brauen hoch, um ihn wortlos zu fragen, ob er ganz sicher sei, und er nickte. »Einen Moment, bitte«, sagte sie zu Marbury. »Mr Harris möchte mit Ihnen sprechen. Ermittler Seth Marbury ist am Apparat«, wandte sie sich an Calvin und reichte ihm den Hörer.
    »Hier ist Cal Harris.« Er klang ruhig und normal wie sonst. Einen verstörenden Augenblick lang hatte Cate das Gefühl, dass sich die Realität verschoben hatte, so als hätte sie das Gleichgewicht verloren. Fassungslos starrte sie ihn an, weil dieser Mann unmöglich derselbe Mann sein konnte, der so kühl und gelassen die Waffe auf den Kopf eines anderen Menschen gerichtet hatte. Das war mehr, als sie verarbeiten konnte, sie merkte, dass sie fast wie zum Selbstschutz die kräftige Hand fixierte, die das Telefon hielt. Zu ihrem und Neenahs Glück verstand er mit der Flinte ebenso kompetent umzugehen wie mit Hammer und Rohrzange.
    Offenbar hatte Marbury ihn gefragt, was er beruflich tat. Er antwortete: »Alles, was anfällt. Schreiner-, Klempner-, Mechaniker- oder Dachdeckerarbeiten.«
    Er hörte kurz zu. Cate konnte Marburys Brummstimme hören, verstand aber nicht, was er sagte. Calvin antwortete: »Als Mrs Nightingale mir die Post gab, damit ich sie in die Stadt mitnehme, hatte sie die Briefmarken verkehrt herum aufgeklebt. Sie wissen schon, die Sorte, die es als Hunderterrolle gibt. Die mit der amerikanischen Flagge.« Wieder Marburys Gebrumme. »Genau. Ich hatte den Eindruck, dass sie nervös wirkte, also ging ich das Risiko ein, wie ein Vollidiot dazustehen, und bin umgekehrt. Nur um sicherzugehen. Dabei habe ich mein Gewehr mitgenommen. Nur deshalb sind die beiden abgezogen, ohne jemanden zu verletzen.« Weiteres Gebrumm, dann sagte er: »Nein, es wurde überhaupt nicht geschossen. Meine Mossberg war seiner Taurus überlegen, die er nebenbei bemerkt hier gelassen hat.« In seiner Stimme schwebte ein Anflug von Erheiterung.
    »Morgen passt«, sagte er schließlich und reichte ihr den Hörer zurück.
    »Mrs Nightingale«, sagte Marbury, »ich komme morgen vorbei und nehme Mr Harris’ Aussage auf. Könnten Sie ebenfalls eine machen?«
    »Natürlich. Am besten nach zehn Uhr«, sagte sie.
    »Kein Problem. Um elf bin ich da.«
    Cate beendete das Gespräch mit einem Tastendruck und blieb reglos stehen. Sie wusste, dass sie zu der Gruppe im Speiseraum zurückkehren musste, doch ihre Füße waren wie festgewachsen. »Wie konnte das passieren?«, fragte sie schließlich.
    »Das kommt schon wieder in Ordnung.«
    Plötzlich fiel ihr auf, dass er während dieser schrecklichen, angespannten Minuten auf dem Speicher kein einziges Mal gemurmelt hatte oder rot geworden war. Offenbar gehörte er zu den Menschen, die mit ihren Aufgaben wuchsen, sich aber sofort in ihr Schneckenhaus zurückzogen, sobald die Krise überstanden war. Von nun an würde sie ihn mit anderen Augen sehen. »Calvin, ich ...« Sie verstummte und spürte zu ihrer Verwirrung, wie sie ihrerseits rot anlief. »Ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, wie dankbar ich Ihnen bin ...«
    Er sah sie so entsetzt an, als wäre ihr plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. »Das brauchen Sie nicht. Ich weiß es schon.«
    Wegen der Jungs, dachte sie. Er wusste genau, welche Sterbensängste sie ausgestanden hatte, dass Sheila mit den Jungs heimkommen könnte, während Mellor und Huxley noch im Haus waren. Froh, nichts weiter erklären zu müssen, drehte sie ihm den Rücken zu und eilte in den Speiseraum zurück. Er folgte ihr langsamer und wurde von zwei vierjährigen, schenkelhohen Wegelagerern abgefangen, die noch einmal ganz genau wissen wollten, wie groß die Schlange gewesen war und was er damit angestellt hatte.
    Sie erzählte den versammelten Nachbarn, was ihr der Detektiv gesagt hatte und dass er morgen vorbeikommen würde, um ihre Aussage aufzunehmen. Mittlerweile hatte Milly ausgiebig Tee gekocht, den Cate und Neenah im Sitzen trinken mussten. Zu ihrer Überraschung beruhigten sich ihre Nerven tatsächlich, und das unbestimmte Gefühl, dass alles aus dem Lot geraten war, begann sich zu legen. Erst als ihre drei kletternden Übernachtungsgäste zurückkehrten, müde, winddurchweht und glücklich, löste sich die Versammlung auf.
    Weil es in Trail Stop kein Restaurant gab und das nächste eine Stunde Fahrzeit

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