Im Schutz der Nacht
Straße angefertigt, in die er alle Besonderheiten wie die Brücke, den Wildbach, den reißenden Fluss zur Rechten und die hoch aufragenden Berge zur Linken eingetragen hatte.
»Ich glaube, irgendwo stößt von rechts ein Waldweg auf diesen Witz von einer Straße«, merkte Goss an. »Keine Ahnung, ob es eine Zufahrt zu einem Haus oder eine Art Jagdweg ist.«
Toxtel notierte das und sah dann auf die Uhr. Er hatte jemanden angerufen, der wiederum jemanden angerufen hatte, und ein Einheimischer, der die Gegend kannte - und dem Vernehmen nach erfahren darin war, Probleme gewisser Art zu lösen -, sollte sie um neun Uhr hier in Toxtels Zimmer treffen. Goss war klug genug zu wissen, dass sie bis zum Hals in der Scheiße steckten und ohne die Hilfe eines Experten nicht in der Lage wären, diese Strohköpfe in Trail Stop in Schach zu halten. Sie brauchten jemanden, der sich in der Wildnis auskannte und mit einem Gewehr umzugehen verstand. Goss kam mit Pistolen zurecht, aber er hatte noch nie ein Gewehr abgefeuert. Toxtel zwar schon, aber vor vielen Jahren.
Der Einheimische, mit dem sie sich treffen würden, kannte angeblich eine Handvoll anderer Typen, die er zu Hilfe rufen konnte. Goss war kein Experte, aber selbst er konnte sehen, dass es mehr Fluchtmöglichkeiten gab, als drei Mann allein abdecken konnten, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese drei Männer gelegentlich schlafen mussten. Damit Toxtels Plan aufging, brauchten sie mindestens zwei weitere Männer, besser noch drei.
Goss ging gern auf alle verwegenen Ideen ein, die Toxtel ins Spiel brachte; je verwegener, desto besser, denn das erhöhte die Chancen, dass die ganze Geschichte Toxtel um die Ohren flog und Salazar Bandini ins Zentrum unerwünschter Aufmerksamkeit geriet, zum Beispiel in die Aufmerksamkeit der Bundespolizei, was dazu führen würde, dass er äußerst unzufrieden mit Yuell Faulkner wäre.
Goss hatte versucht, einen konkreten Plan zu fassen, aber dafür gab es zu viele Variablen. Er musste einfach darauf hoffen, dass sich Gelegenheiten auftaten, bei denen er klammheimlich dazwischenfunken und alles vermasseln konnte. Das bestmögliche Ergebnis wäre, dass sie Bandinis Memorystick in die Hände bekämen, ohne dass jemand verletzt oder getötet wurde, das bestmögliche Ergebnis für Bandini jedenfalls, und damit auch das bestmögliche Ergebnis für Faulkner. Folglich musste er dafür sorgen, dass Ersteres nicht eintraf und Letzteres sehr wohl. Außerdem würde es ihn nicht weiter stören, wenn dieser Handwerker derjenige wäre, der erschossen wurde.
Die Tatsache, dass Goss über Nacht nicht gestorben war, bedeutete, dass er wahrscheinlich keine Gehirnverletzung davongetragen hatte, trotzdem hatte er höllische Kopfschmerzen. Gleich nach dem Aufwachen hatte er vier Ibuprofen eingeworfen, was die Schmerzen zwar so sehr gedämpft hatte, dass er sich wieder konzentrieren konnte, aber trotzdem hoffte er, dass heute nichts Kräftezehrenderes von ihm erwartet wurde als herumzusitzen und zu quatschen.
Um Punkt neun Uhr klopfte jemand ein einziges Mal an die Tür, Toxtel stand auf, um zu öffnen. Er zog die Tür auf und trat zur Seite, damit ihr Besucher eintreten konnte.
»Name«, sagte der Mann knapp.
Hugh Toxtel ließ sich bestimmt nicht herumkommandieren, aber er war auch nicht so eingebildet, dass er sich an jeder Kleinigkeit störte. »Hugh Toxtel«, sagte er ungerührt, als hätte der Mann nach der Uhrzeit gefragt. »Das ist Kennon Goss. Und du bist...?«
»Teague.«
»Gibt’s auch einen Vornamen dazu?«
»Teague genügt.«
Teague sah aus wie ein fieser, räudiger Marlboro-Mann, der auf dem Schrottplatz arbeitete. Sein Gesicht war so verwittert, dass man unmöglich sagen konnte, wie alt er war, Goss schätzte ihn auf gute fünfzig. Seine Haare waren grau gesprenkelt und kurz geschoren. Die hohen Wangenknochen und dunklen, schmalen Augenschlitze kündeten von indianischem Blut, das vor einigen Generationen in seine Adern gekommen war. Falls er irgendwo eine weiche Stelle hatte, zeigte er das nicht.
Er trug Jeans, Wanderstiefel und ein grün-beige kariertes Hemd, das straff im Hosenbund steckte. Unter seiner rechten Niere hing eine Scheide mit einem Arbeitsmesser, eines von der Art, mit dem man Wild häutet. Jedenfalls würde es keinesfalls als Taschenmesser durchgehen. Außerdem hatte er eine abgetragene schwarze Leinentasche dabei. Alles an Teague schrie geradezu »Achtung, Gefahr!«, doch war es nicht das, was er sagte oder
Weitere Kostenlose Bücher