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Im Schutz der Nacht

Titel: Im Schutz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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anschauen und nur einen schmerzhaft schüchternen, gutherzigen Handwerker in ihm sehen.
    Sie hatte das Gefühl, dass sich noch mehr verändert hatte, als ihr bewusst war, so als hätte sich ihr Leben gewandelt, ohne dass sie genau wusste, wohin oder wie weit sich die Fundamente verschoben hatten. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren und was sie davon halten sollte, weil sie nicht einmal wusste, ob sie auf festem Boden oder auf Treibsand stand.
    Die Erinnerung an Calvins helle Augen und an seinen durchdringenden Blick bohrte sich mit stechender Klarheit in ihr Gedächtnis, und so schlief sie ein, immer noch rätselnd, ob sie sich jetzt sicherer fühlen sollte oder ob sie womöglich in größerer Gefahr schwebte als zuvor.
    Cal Harris hatte schon vor Langem entdeckt, dass er das Licht im Fenster von Cate Nightingales Schlafzimmer sehen konnte, wenn er in seinem dunklen Zimmer am Fenster stand. Die Pension lag so weit entfernt, dass es vielleicht anderthalb Straßenblocks entsprochen hätte, aber die Straße machte einen Knick, dank dessen er auf die Fenster der beiden vorderen Zimmer schauen konnte.
    Hinter dem ersten Fenster lag das Kinderzimmer. Hinter dem zweiten Cates Schlafzimmer.
    Er war in ihrem Schlafzimmer gewesen, als er in dem dazu gehörenden Bad die Rohre abgedichtet hatte. Sie hatte eine Schwäche für dekorative Dinge wie Zierkissen auf dem Bett, und im Bad lagen dicke Baumwollvorleger, die zu dem Duschvorhang passten und dem Stoffding auf ihrer Klobrille. Außerdem roch es gut in ihrem Zimmer, nach einem schwachen Parfüm ... und nach Frau. Beim ersten Blick auf ihr Bett war seine Phantasie mit ihm durchgegangen.
    Er reagierte so stark auf sie, dass er einfach nicht dagegen ankonnte. Zur endlosen Erheiterung aller Nachbarn lief er in ihrer Gegenwart knallrot an und begann zu stammeln wie ein Vierzehnjähriger. Drei Jahre lang bedrängten sie ihn nun schon, sie auszuführen, aber er hatte sich geweigert. Solange sie ihn ansah, als wäre er ihr Großvater, und ihn »Mr Harris« nannte, war klar, dass sie noch nicht bereit für ein Date war.
    Es war schon länger her, dass er eine Waffe auf einen anderen Menschen gerichtet hatte und dabei keine Skrupel gehabt hätte abzudrücken, aber diesem Schwein Mellor hätte er wirklich um Haaresbreite den Kopf weggeblasen wie einen explodierenden Kürbis. Nur weil Cal gewusst hatte, dass Cate ihn beobachtete und ein noch schlimmeres Trauma davongetragen hätte, hatte er den Finger am Abzug gelassen. Sie sollte ihn auf keinen Fall mit jenem Entsetzen ansehen, das in ihren Augen gestanden hatte, als sie Mellor angesehen hatte.
    Heute Abend war ihr Schlafzimmerfenster dunkel. Im Zimmer der Zwillinge ging das Licht an und etwa eine Viertelstunde später wieder aus, aber Cates Licht blieb ausgeschaltet. Instinktiv vermutete er, dass sie völlig erledigt war und schon im Bett lag; anscheinend hatte ihre Mutter die Jungs ins Bett gebracht.
    Drei Jahre lang hatte er gewartet, und die Stimme der Vernunft hatte ihm schon lange eingeflüstert, aufzugeben und sich eine andere Frau zu suchen, aber er hatte nicht auf sie gehört. Ob es seine unverbesserliche Sturheit war, die ihn weitermachen ließ, oder ob die zwei kleinen Jungs, die seine Beine umklammerten, auch sein Herz umklammert hielten, oder ob es Cate selbst war, jedenfalls hatte er es nicht über sich gebracht zu sagen: »Das reicht. Damit bin ich fertig.«
    Der Schrecken des heutigen Tages hatte einige Barrikaden eingerissen. Er ahnte es, nein, er wusste es. Heute hatte sie ihn zum ersten Mal »Calvin« genannt. Und diesmal war sie und nicht er rot geworden.
    Als er zu Bett ging, war ihm, als hätte sich die ganze Welt verschoben, und er würde den morgigen Tag von einem neuen Startplatz aus beginnen.

11
    Am nächsten Morgen saßen Goss und Toxtel in Toxtels Motelzimmer vor einer Karte, die sie auf dem wackligen runden Tisch ausgebreitet hatten. Sie tranken dünnen Kaffee aus der billigen kleinen Kaffeemaschine im Zimmer und aßen pappige Honigbrötchen aus einem Lebensmittelladen. Im Ort gab es ein Familienrestaurant, in dem man auch Frühstück bekam, doch sie konnten ihre geschäftliche Besprechung schlecht an einem öffentlichen Ort abhalten.
    Toxtel schob Goss quer über den Tisch eine Skizze zu.
    »Sieh mal, das ist ein Plan des Ortes, so wie ich ihn in Erinnerung habe. Wenn du etwas anders in Erinnerung hast, dann sag es. Wir dürfen keine Fehler machen.«
    Toxtel hatte eine grobe Skizze des Ortes und der

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