Im Schutz der Nacht

zerstreut; als sie mir die Briefe überreichte, hatte sie die Briefmarken kopfüber aufgeklebt.«
    Er sah, wie Creeds Hirn schaltete. »Schlaues Mädel«, sagte er bewundernd.
    »Trotz des Risikos, mich vollends zum Idioten zu machen, parkte ich den Wagen unten an der Straße und nahm meine Schrotflinte hinter dem Sitz heraus. Dann kehrte ich heimlich zurück und schlich mich ins Haus. Der eine der beiden hockte im Eingang, die Pistole in der Hand und linste aus dem Fenster. Ich hab’ ihm eins übergebraten und mich auf die Suche nach Cate gemacht. Von oben kamen Stimmen, denen ich auf den Speicher folgte. Cate war gerade dabei, Laytons Koffer herauszuzerren, während dieser andere Typ Neenah bei den Haaren hielt, ihren Kopf zur Seite gezogen hatte und ihr den Pistolenlauf gegen die Schläfe drückte. Ich habe ihn überrascht und ihn überzeugt, dass er nur lebend ins Erdgeschoss kommt, wenn er seine Waffe fallen und Neenah loslässt. Cate gab ihm den Koffer, und ich habe mich überzeugt, dass sie wirklich weggefahren sind.«
    Er hatte bei seiner Schilderung eine Menge ausgelassen, aber Creed kannte ihn schon lange und konnte zwischen den Zeilen lesen; er wusste genau, wie Cal sich an die beiden Männer angeschlichen hatte.
    »Und das war am Mittwoch?«
    »Genau«, bestätigte Cal.
    »Scheiße.«
    Darauf gab es nichts zu sagen. Creeds Instinkt befahl ihm, die beiden zur Strecke zu bringen und sie dafür bezahlen zu lassen, und zwar teuer, doch der Vorfall hatte sich vor drei Tagen zugetragen, die beiden waren längst über alle Berge.
    Creed gab einen frustrierten, kehligen Laut von sich und sackte dann auf Cals gebrauchtem Sofa zusammen. »Sind die beiden okay?«, fragte er. »Neenah und Cate?«
    »Cate haben zwar die Nerven geflattert, aber ihre Mutter war da, um ihr zu helfen, außerdem haben die Zwillinge sie abgelenkt. Neenah hatte niemanden, privat, meine ich. Selbstverständlich haben sich alle Nachbarn versammelt, aber du weißt so gut wie ich, dass die Reaktion erst einsetzt, wenn alle weg sind und du allein bist.«
    Creed beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ die Hände dazwischen baumeln. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, fuhr Cal fort: »Ich sehe ihr an, dass sie immer noch damit zu kämpfen hat. Sie hat sich zurückgezogen, und sie hat Ringe unter den Augen, als würde sie nachts nicht mehr schlafen. Außerdem hat sie immer noch diesen blauen Fleck im Gesicht.«
    Creeds Hände ballten sich zu festen Fäusten, doch er blieb auf Cals Sofa sitzen.
    Cal beugte sich vor, sah seinem ehemaligen Vorgesetzten Offizier in die Augen und sagte ganz leise: »Du bist ein Feigling mit einem Arsch aus Zucker, wenn du dieser Frau nicht jetzt, wo sie Halt braucht, endlich Halt gibst.«
    Creed schoss hoch, klappte den Mund auf, um eine Fluchtirade auszustoßen, und klappte ihn unvermittelt wieder zu. »Scheiße«, sagte er wieder. »Scheiße!« Dann stampfte er zur Tür, verschwand nach draußen und stürmte die Treppe hinunter, dass die Stufen unter seinen Stiefeln erbebten.
    Leise lächelnd schloss Cal die Tür.
    Teague konnte sein Glück kaum fassen. Manchmal lachte ihm einfach die Sonne, richtig? Dieses Arschloch von Creed war ausgerechnet nach Trail Stop gefahren.
    Eine bessere Gelegenheit als diese konnte sich ihnen kaum bieten. Es war noch nicht so spät, wie es ihm lieb gewesen wäre, aber die meisten Bewohner von Trail Stop waren über vierzig, dazu kamen ein paar richtig alte Säcke, es war also nicht so, als würden sie jede Nacht in Singlebars versacken und bis zum Morgengrauen durchfeiern. Natürlich gab es auch ein paar Jüngere darunter, wie diese Nightingale und ein Pärchen, das etwa so alt aussah wie sie, aber das waren so ziemlich alle. Er hätte darauf gewettet, dass alle Einwohner von Trail Stop gemütlich und zusammengekuschelt zu Hause hockten. Wenn er es recht bedachte, wettete er tatsächlich darauf, der Erfolg seines Planes beruhte auf seinem Geschick, Menschen zu observieren und sich in sie hineinzuversetzen.
    »Beeil dich«, flüsterte er in sein Funkgerät.
    »Mach ich«, flüsterte Billy zurück. Er war unter der Brücke und drückte die Zündschnüre in die Sprengsätze, die sie vor mehreren Monaten von einer Baustelle gestohlen hatten. Teague war überzeugt, dass es sich auszahlte, allzeit bereit zu sein; man konnte nie wissen, wann man irgendwas in die Luft jagen musste. Billy musste sich vorsichtig bewegen, weil die Felsbrocken unter der Brücke gischtbesprüht und