Im Schutz der Nacht
Letzten in der Reihe praktisch darum, erschossen zu werden. Variiert die Routen, das Timing, alles, was ihr nur könnt. Lasst möglichst die Taschenlampen aus; wenn ihr sie anmacht, während ihr euch über offenes Gelände bewegt, verratet ihr damit nur eure Position.«
Köpfe nickten im Dunkeln.
»Wie lange wirst du brauchen?«, fragte Cate und gab sich Mühe, nicht ängstlich zu klingen. Sie wollte nicht, dass er ganz allein durch die Nacht schlich, doch ihr war klar, dass sie wissen mussten, was sich im Ort abspielte. Außerdem war er bewaffnet; er war nicht hilflos.
»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was mich erwartet.« Er drehte sich um und schickte ihr einen langen, stillen Blick durch die Dunkelheit, der so mächtig war wie eine Berührung. »Aber ich werde zurückkommen. Darauf kannst du dich verlassen.« Dann tauchte er mit einigen wenigen Schritten in die Dunkelheit ein und war verschwunden.
18
Neenah schrie gellend auf und umklammerte in Todesangst Creeds schweren Leib, der sie auf den Teppich presste. Der Nachhall der Explosion erschütterte das ganze Haus und ließ den Staub in einer dichten, stickigen Wolke auf sie herabregnen. Creed deckte ihren Kopf mit seinen Armen ab und versuchte, Neenah ganz unter sich zu verbergen, um sie vor herabfallenden Trümmern abzuschirmen.
Dann herrschte Stille, eine gespenstische Stille, die in den Ohren gellte.
»Erdbeben?«, keuchte sie.
»Nein. Da ist was explodiert.« Creed hob den Kopf und sah nichts als Dunkelheit. Die Lichter waren ausgegangen, was für eine Überraschung. Bei der Explosion mussten die Stromleitungen durchtrennt worden sein, die bei der Brücke den Fluss überspannten.
Dann folgte ein scharfes, tiefes Knack, bei dem ihm das Blut in den Adern gefror, und im gleichen Moment implodierte das Fenster auf der Vorderseite in einem Schauer von Glassplittern. Er spürte mehrere Stiche, die er aber ignorierte, da schon die nächsten donnernden Schüsse durch die Luft hallten. Im nächsten Augenblick war er in Bewegung, in Marsch gesetzt durch das Gewehrfeuer und dreiundzwanzig Jahre Erfahrung, obwohl er die Truppe vor fast acht Jahren verlassen hatte, und zerrte halb rennend, halb krabbelnd die unter ihm liegende Neenah aus dem leicht einsehbaren Wohnzimmer in den kurzen, geschützteren Hausgang, der ihm beim Hereinkommen aufgefallen war. In der plötzlichen Dunkelheit konnte er die Hand nicht vor Augen sehen, aber dafür besaß er einen exzellenten Orientierungssinn.
Neenah gab bis auf ihren schweren Atem keinen Laut von sich. Sie klammerte sich wie ein Affe an Creed und versuchte ihn zu unterstützen, indem sie sich mit den Füßen abstieß. Auch sie hatte die Gewehrschüsse erkannt; schließlich war sie unter Menschen aufgewachsen, die ihr Essen zum Teil noch selbst erlegten.
Er war nicht sicher, woher die Schüsse kamen, und wusste auch nicht, ob auf ihn oder Neenah gezielt wurde oder ob die Schüsse auf keinen von beiden gerichtet waren und sie sich nur zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielten. Im Moment war das »Warum« unwichtig, nur das »Woher« zählte, die Position, aus der die Schüsse kamen. Er konnte nicht blindlings aus dem Haus rennen; er musste für Neenahs Sicherheit sorgen.
»Wo ist die Küche?«, keuchte er und hörte gleichzeitig, wie Schuss um Schuss abgefeuert wurde. Das da draußen klang wie ein beschissener Krieg. Die Küche würde den besten Schutz bieten, weil dort viele Metallgeräte standen. Eine hochkalibrige Gewehrkugel konnte mehrere Wände durchschlagen, bevor sie von etwas wie einem Kühlschrank gebremst wurde. Er hatte auf jeden Fall vor, auf dem Boden zu bleiben, selbst wenn Neenahs Küche reihenweise mit Kühlschränken bestückt war.
»Ich ... ich weiß nicht«, stotterte sie, um Luft ringend. »Ich ... wo sind wir jetzt?«
Sie hatte die Orientierung verloren, was ihn nicht überraschte. Creed drückte sie mit dem linken Arm an seine Brust. »Wir sind im Gang; deine Füße zeigen zur Haustür. «
Sie schwieg einen Moment schwer atmend, während sie sich in ihrem eigenen Haus zurechtzufinden versuchte. »Ach ... in Ordnung. Rechts von dir. Geradeaus und dann rechts. Aber ich muss ins Schlafzimmer.«
Er ging gar nicht darauf ein; das Schlafzimmer bot längst nicht so viel Schutz. »Die Küche ist sicherer.«
»Kleider. Ich brauche was zum Anziehen.«
Creed stutzte. Es hatte eine mächtige Explosion gegeben, jemand schoss auf sie, und sie wollte sich umziehen? Auf seiner Zunge lag ein bitterböser
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