Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
an.
»Ich glaube, dass nur das normale Schloss verriegelt ist. Die Spezialschlösser scheinen offen zu sein«, stellte sie fest.
Sara hatte recht, nur der Bolzen des normalen Schlosses war vorgeschoben.
»Tadaa!«
Sara zog triumphierend ein kleines Lederetui aus der Jackentasche. Es enthielt eine Sammlung Dietriche.
»Ein Geschenk von Matti.«
Freundlich, aber energisch schob sie Irene beiseite und schob einen Dietrich ins Schloss. Nach ein paar Minuten klickte es, und sie öffnete die Türe. Irene warf sich über die Schwelle, noch ehe die Türe halb offen war.
Sie sah die Gestalt, die reglos auf dem Sofa lag, sofort. Ritvas Gesicht war blutüberströmt, und ihre Brille lag zersplittert auf dem bunten Flokati. Sie trug dieselben Kleider wie am Vorabend. Irene eilte auf sie zu und kniete sich neben sie. Sie war so erleichtert, als Ritva ganz schwach Atem holte, dass ihr beinahe schwindelig wurde.
»Sara! Ruf einen Krankenwagen und Verstärkung! Sie lebt noch!«, rief sie.
Falls die Verletzte bemerkte, dass Leute in ihrer Wohnung waren, so ließ sie das nicht erkennen. Sie lag vollkommen reglos da und atmete mit langen Intervallen und röchelnden Atemzügen. Sie roch nach Urin und Stuhl. Aber das kümmerte Irene nicht weiter. Sie hatte schon Schlimmeres erlebt. Die Hauptsache war, dass Ritva noch lebte.
Das Blut kam von einer tiefen Verletzung an der linken Schläfe. Die Wunde war fast zehn Zentimeter lang und hatte ausgefranste Kanten. Also kein Messer, sondern ein stumpfer, aber trotzdem relativ scharfer Gegenstand, dachte Irene und sah sich um. Auf den ersten Blick sah alles so aus wie am Vortag, aber irgendetwas war anders. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Irene realisierte, was das war. Ein Gemälde von Ivar Ivarson fehlte.
»Ritva Ekholm hat eine schwere Gehirnerschütterung und ist immer noch nicht bei Bewusstsein. Ihre Kopfwunde ist genäht worden, und sie befindet sich noch auf der Intensivstation. Sie hat recht viel Blut verloren. Sobald sie aufwacht, erhalten wir Bescheid.«
Kommissar Persson betrachtete seine Leute mit finsterer Miene. Wie am Vortag waren Fredrik Stridh und Ann Wennberg anwesend. Was ihrer einzigen Zeugin vom Bombenanschlag am Montag zugestoßen war, war alles andere als erfreulich. Tommy Persson unternahm nichts, um sein Missvergnügen zu verbergen. Er wirkte skeptisch, als Irene und Sara berichteten, die Wohnungstür sei nicht abgeschlossen gewesen, um zu erklären, wie sie überhaupt in die Wohnung gekommen waren. Sie hatten die Schlüssel für die Spezialschlösser an einem Haken der Garderobe gefunden, der Schlüssel für das normale Schloss fehlte jedoch. Den hatten die Täter mitgenommen, nachdem sie die schwerverletzte Ritva Ekholm eingeschlossen hatten. Diese Information verschwiegen Irene und Sara ihrem Chef und ihren Kollegen jedoch.
Wenn Wochenende gewesen wäre, dann hätte niemand Ritva an ihrem Arbeitsplatz vermisst, und sie hätte vermutlich nicht überlebt. Bei dem bloßen Gedanken brach Irene der Schweiß aus. Auf eine diffuse Art fühlte sie sich für das, was der Chemiedozentin zugestoßen war, verantwortlich. Dass sie in Gefahr schweben könnte, war Irene einfach nicht in den Sinn gekommen. Hätte sie daran denken müssen? Nein, dazu hatte es keinen Grund gegeben, und zwar weil nur wenige Polizisten die Identität der Zeugin gekannt hatten. Bei diesem Gedanken wurde es ihr nicht wohler. Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte Tommy Persson:
»Woher kannten die Täter, die Ritva Ekholm misshandelten, ihren Namen und ihre Adresse? Und wie sind sie in die Wohnung reingekommen? Laut Irene hat sie immer mit mehreren Schlössern hinter sich abgeschlossen und fühlte sich sicher wie in einer Festung.«
»Fort Knox«, verbesserte Irene automatisch.
»Spielt keine Rolle. In Sicherheit jedenfalls. Trotzdem hat sie jemand schwer misshandelt. Wer?«
Tommy sah die Versammelten auffordernd an. Fredrik räusperte sich und sagte:
»Vielleicht kannte sie den Täter und hat ihm selbst die Tür geöffnet.«
»Möglich. Aber es wird sich kaum um einen ihrer Freunde gehandelt haben, wenn man an die Misshandlung und das gestohlene Gemälde denkt. Hätte sie einem Unbekannten die Tür geöffnet?«, fragte Sara.
Irene erinnerte sich an die Sicherheitskette. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ritva Unbekannte in die Wohnung gelassen hätte.
»Was war das Gemälde wert?«, fragte Ann.
»Ich weiß nicht recht. Ein paar Hunderttausend vielleicht«, meinte Irene.
Sie
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