Im sinnlichen Bann des Sizilianers
Englisch miteinander, und auf den ersten Blick wirkte sie auch wie die klassische, gebildete Engländerin auf einer Italienreise. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid und hatte einen breiten Schal aus weißem Leinen um die Schultern geworfen.
Ihr Name war Louise Anderson, und sie war die Enkelin jenes sizilianischen Paares, dessen Asche sie auf diesem stillen Friedhof begraben wollte. Ihre Mutter war ebenfalls Sizilianerin und ihr Vater Australier mit sizilianischen Wurzeln.
Als Caesar sich wieder bewegte, spürte er plötzlich die scharfen Papierkanten des Briefumschlags, den er in der Innentasche seines Jacketts trug.
Louisa bekam den Eindruck, als würde dieser Mann absichtlich die Spannung zwischen ihnen ins Unerträgliche steigern. Die Falconari-Familie zeigte denen gegenüber, die sie für weniger privilegiert geboren erachteten, einen Ansatz von Grausamkeit. Das bewies ihre Geschichte, sowohl in schriftlichen Fakten als auch in mündlichen Überlieferungen. Allerdings hatte dieser Falconari keinen Grund, sich ihren Großeltern oder gar ihr selbst gegenüber grausam zu geben.
Die Antwort des Priesters, den sie wegen des letzten Willens ihrer Großeltern angeschrieben hatte, war für Louise ein Schock gewesen. Er meinte, sie würde die Erlaubnis des duca benötigen. Es wäre eine Formsache . Und dass er für sie bereits einen Gesprächstermin vereinbart hätte.
Lieber hätte sie den Herzog in einem belebten Hotel getroffen und nicht an einem so geschichtsträchtigen, bedeutungsvollen Ort wie diesem – voller stummer Erinnerungen derer, die hier begraben lagen. Und Caesars außergewöhnliche Anziehungskraft verunsicherte Louise zutiefst. Sie wich noch einen Schritt zurück, achtete dieses Mal aber darauf, nicht wieder zu stolpern.
„Ihre Großeltern haben Sizilien kurz nach ihrer Hochzeit verlassen, um in London zu leben. Und trotzdem verfügten sie, hier bestattet zu werden?“, wandte er sich jetzt an sie.
Typisch für diese Art von Mann – einflussreich, dominant und extrem von sich überzeugt – die persönlichen Wünsche einfacher Leute derart infrage zu stellen. Als wäre er immer noch ihr Lehnsherr! In Louise erwachte der Widerstand. Sie war heilfroh, endlich einen Grund gefunden zu haben, diesen Kerl nicht zu mögen.
Dabei brauchte sie sich für ihre Gefühle doch vor niemandem zu rechtfertigen. Sie konnte denken, was sie wollte. Genauso wie ihre Großeltern das Recht hatten, dass ihr letzter Wille erfüllt und ihre sterblichen Überreste bei denen ihrer direkten Vorfahren bestattet wurden.
„Sie sind ausgewandert, weil es hier keine Arbeit mehr für sie gab. Nicht einmal die Chance, sich für einen Hungerlohn auf dem Land Ihrer Familie abzurackern, wie so viele meiner Verwandten zuvor. Sie haben Sizilien aber immer als ihre Heimat, als ihr Land betrachtet.“
Er wunderte sich über die kaum verhohlene Kritik in ihren Worten. „Es scheint mir nur ungewöhnlich, dass sie diese Aufgabe der Enkelin und nicht der eigenen Tochter übertragen haben.“
Wieder dachte er an den Brief in seiner Tasche. Und seine Schuld wog immer schwerer. Aber er hatte sich entschuldigt, und irgendwann musste man die Vergangenheit ruhen lassen. Er durfte nicht länger in Selbstmitleid baden, hier ging es noch um ganz andere Dinge.
„Meine Mutter lebt mit ihrem zweiten Ehemann in Palms Springs, und das schon seit vielen Jahren. Ich dagegen bin in London geblieben.“
„Bei Ihren Großeltern?“
Auch wenn es eine Frage war, ließ er es wie eine Feststellung klingen.
Louise wurde misstrauisch. Wollte er sie provozieren, um dann einen Grund zu haben, ihr die Bitte abzuschlagen? Falls dem so war, würde sie ihm diese Genugtuung nicht gönnen. Dafür hatte sie schon zu viel durchgemacht.
So erging es einem Menschen, der Schande über die eigene Familie gebracht hatte. Ihre eigenen Eltern hatten ihr den Rücken gekehrt, und dieses Stigma würde Louise bis in alle Ewigkeit anhängen. Es nahm ihr jedes Recht auf Stolz oder Privatsphäre.
„Genau“, bestätigte sie. „Nach der Scheidung bin ich zu ihnen gezogen.“
„Aber nicht direkt danach?“
Seine Frage traf sie wie ein elektrischer Schlag, allerdings ließ sie sich das nicht anmerken.
„Nein.“ Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen und ließ ihren Blick angestrengt über den Friedhof schweifen. Dabei empfand sie diesen Anblick als Symbol dafür, dass sie seit der Trennung ihrer Eltern alle eigenen Hoffnungen und Träume begraben musste.
„Zuerst
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