Im Sog der Angst
Problem. Ich hätte das früher erkennen sollen. Sie haben es wahrscheinlich bemerkt, aber Sie konnten ja nicht hergehen und das sagen, stimmt’s? ›Lassen Sie sich von Ihrer Frau scheiden, Ned.‹ Hätten Sie das gesagt, hätte ich Sie gefeuert. Aber Sie hätten Recht gehabt.«
»Wie geht’s Anne Marie?«
»Meistens gut«, antwortete er. »Nicht immer toll. Sie hat ihre Launen, aber die meiste Zeit geht’s ihr gut. Ihr Mann ist okay, und sie haben gerade ein drittes Kind bekommen. Beruflich hat sie es nie auf die Reihe gekriegt, aber sie sagt, es gefällt ihr gut, Mutter zu sein, und warum soll ich ihr das nicht glauben? Sie ist eine tolle Mom, die Kinder lieben sie, Bob liebt sie. Wissen Sie, woran ich gemerkt habe, dass ich mich von Norma scheiden lassen musste?«
»Woran?«
»Ich beschloss, mit dem Rauchen aufzuhören. Machte endlich ernst damit. Und was tut Norma daraufhin? Sie versucht es mir auszureden, ich rede von einer offenen Feldschlacht. Sie wollte nicht aufhören, weil Rauchen etwas war, was wir zusammen gemacht haben - Zigaretten und Kaffee morgens beim Zeitunglesen. Spaziergänge machen und dabei drauflospaffen wie die Krebsfanatiker, die wir waren. Sie beschuldigte mich tatsächlich, ich ließe sie im Stich, indem ich aufhören wolle. Ich gab nicht nach, und sie drehte völlig durch. Also lehnte ich mich zurück und dachte: ›Du Dummkopf, es ist ihr egal, ob du krank wirst oder stirbst, sie will nur ihren Willen durchsetzen, es dreht sich alles um sie.‹ Fünfunddreißig Jahre zu spät, aber was soll’s, ich bin hier, und sie ist nach New York gegangen, um einen Roman zu schreiben, und ich trage das Pflaster und habe mich auf sieben Winstons am Tag runtergearbeitet.«
»Meinen Glückwunsch.«
»Vielen Dank. Was kann ich für Sie tun?«
Ich erzählte ihm von dem Foto mit dem blonden Mädchen.
»Ich werde mal anrufen«, sagte er, »aber ich kann Ihnen leider nichts versprechen, Doc. Der Times geht es nicht um den Dienst an der Öffentlichkeit - wenn es denn jemals so war. Es geht ihr um das Verticken von Anzeigenraum, und das heißt, sie braucht einen Köder. Nach dem, was ich von Ihnen höre, hat diese Geschichte keine pikante Note.«
»Ein Doppelmord?«, sagte ich. »Zwei junge Leute oben am Mulholland?«
»Leider ist L.A. mehr denn je eine Firmenstadt, und pikant heißt eine Hollywood-Verbindung. Geben Sie mir ein kleptomanisches Starlet, das irgendwelche knappen Bikinis am Rodeo Drive vorführt, und ich garantiere Ihnen viele Druckzeilen. Zwei junge Leute am Mulholland ist tragisch, aber es ist nicht Mann beißt Hund.«
»Wie wär’s mit Folgendem als pikanter Note: Die Polizei wollte das Foto nicht freigeben, weil sie noch am Anfang der Ermittlungen steht, aber eine anonyme Quelle hat es der Times zur Verfügung gestellt.«
»Hmm«, sagte er. »Vielleicht springen die Redakteure darauf an, sie haben eine reflexartige Abneigung gegenüber Autoritäten. Jedes Mal, wenn sie zeigen können, dass sie nicht im Gleichschritt mit dem LAPD marschieren, kommen sie sich vor wie die Sensationsreporter, die sie gerne wären … Okay, ich versuch’s. Übrigens, ist das die Wahrheit?«
»Die Pressestelle des LAPD wollte das Foto nicht freigeben, weil man dort meinte, es hätte keine pikante Note.«
Er lachte. »Jeder ist im Showbusiness. Ich rufe an und melde mich wieder bei Ihnen. Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir über das Mädchen sagen können?«
»Nichts«, antwortete ich. »Das ist das Problem.«
»Ich sehe mal, was ich tun kann, Doc. War nett, mit Ihnen zu reden - wo ich Sie schon mal dran habe, will ich Sie was fragen. Glauben Sie dieser Studie, die jetzt rausgekommen ist, in der behauptet wird, verheirateten Männern ginge es besser als allein stehenden?«
»Kommt auf den Mann an«, erwiderte ich. »Und auf die Ehe.«
»Genau«, sagte er. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.«
Kurz nachdem ich aufgelegt hatte, rief Milo an, und ich sagte ihm, Biondi würde versuchen, das Foto in die Zeitung setzen zu lassen.
»Danke. Einige Fingerabdrücke aus Koppels Haus sind reingekommen, und natürlich sind die von Gull über das ganze Haus verteilt. Zusammen mit einem Haufen anderer, die wir nicht identifizieren können. Einer, den wir zuordnen konnten, war ein Kerl, der auf Grund einer Vorstrafe wegen Körperverletzung in die Kartei gekommen war, und es hat sich rausgestellt, dass er für eine Installationsfirma arbeitet und vor einem Monat einen Wartungsdienst
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