Im Sog der Angst
in die Enge getrieben und geknackt werden. Klingt das machbar?«
»Du würdest verraten, was du in der Hand hast.«
»Ja, aber habe ich eine andere Wahl, wenn ich nicht bald irgendwo Fortschritte mache?« Er rieb sich übers Gesicht. »Okay, ich warte, bis du etwas von Olivia hörst, aber irgendwann werde ich eine Entscheidung treffen müssen …« Sein Mobiltelefon piepte, und er hielt es sich gegen das Ohr. »Sturgis … Wann? Tatsächlich. Okay, geben Sie mir die Nummer.«
Er hatte Notizblock und Kuli noch nicht eingesteckt, schrieb hastig etwas auf und klappte das Handy mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen zu. »Gut, gut, gut.«
»Wer war das?«
»Detective Binchy. Als gehorsamer Bursche sitzt er an seinem Schreibtisch und bringt Ordnung in seinen Papierkram, bevor er nachschaut, was Gull so treibt. Gerade ist ein Anruf für mich reingekommen, den er entgegengenommen hat. Sonny Koppel möchte gerne mit mir reden. Er isst in einem Café am Pico zu Abend und lädt mich ein, vorbeizukommen.«
»Schließt mich das ein?«
»Klar«, sagte er. »Ich schließe dich ein.«
35
Das Café hieß Gene’s, und es war einer der wenigen hellen Flecken in einem dunklen, stillen Häuserblock. Auf der Südseite des Pico, nur ein paar Schritte von dem Verkehr auf der La Cienega entfernt. Ein kurzer Spaziergang bis zur Ostgrenze von Milos Bezirk.
Es war zwanzig vor elf, als wir dort ankamen, und das Lokal war hell erleuchtet. Ein langer, schmaler Raum mit einem schmutzigen Vinylboden, einer Resopaltheke und sieben dazu passenden Tischen, die von hohen Wattzahlen ausgebleicht waren. Auf einem Schild zur Straße stand BIS MITTERNACHT GEÖFFNET. Drinnen flüsterten zwei junge Burschen mit übergroßen Brillen bei Kaffee und Kuchen verschwörerisch miteinander, das gebundene Drehbuch exakt in der Mitte zwischen ihnen. Eine alte Frau kaute zahnlos an einem Eiersalat-Sandwich. Hinter ihr las ein muskulöser Mann in grauer Arbeitskleidung alte Nachrichten in der Morgenausgabe und aß einen Hamburger.
In einen schlaffen grauen Regenmantel gehüllt, saß Sonny Koppel an der Theke und schaufelte sich Eier mit Speck in den Mund. Der Mann hinter der Theke nahm Koppel nicht zur Kenntnis, während er die Fritteuse schrubbte. Als wir näher kamen, drehte er sich kurz um und machte dann mit seiner Arbeit weiter.
Koppel wischte sich den Mund ab, stand von seinem Hocker auf und trug seinen Teller, seine Serviette und sein Besteck zu einem der vorderen Tische. Neben der Tür, aber von den anderen Gästen entfernt. Unter seinem Regenmantel trug er einen mokkabraunen Trainingsanzug mit weißer Paspelierung. Locker geschnürte Tennisschuhe bedeckten kleine, breite Füße. Er hatte sich vor kurzem rasiert und dabei mehrfach geschnitten.
Seine Kaffeetasse war stehen geblieben, und Milo brachte sie mit an den Tisch. Der Mann hinter der Theke drehte sich um und fragte: »Wollt ihr beide irgendwas bestellen?«
»Nein danke.«
Koppel stand noch, als Milo die Tasse auf dem Tisch absetzte.
»Danke«, sagte er. »Eine Sekunde.« Er ging wieder zur Theke und schnappte sich Ketchup und Tabascosauce. Dann zog er einen Stuhl zurück, setzte sich und wischte sich erneut die Lippen ab. Er klopfte mit einem Zinken seiner Gabel gegen den Tellerrand und schaute lächelnd auf sein Essen. »Isst man normalerweise zum Frühstück. Ich hab’s gern zum Abendessen.«
»Jedem das Seine«, sagte Milo. »Was können wir für Sie tun?«
»Die Fotografie - von diesem Mädchen. Haben Sie das Bild noch bei sich?«
Milo griff in seine Jackentasche, zog das Foto heraus und gab es Koppel.
Koppel musterte es und nickte. »Als Sie es mir zum ersten Mal zeigten, war irgendwas daran, was mir zu denken gab. Aber ich konnte nicht sagen, was, hatte wirklich nichts, was ich Ihnen sagen konnte, und deshalb sagte ich, ich hätte sie noch nie gesehen. Ich war wirklich nicht sicher, ob ich sie gesehen hatte.« Er leckte sich die Lippen. »Aber es ließ mich nicht mehr los.«
»Und jetzt glauben Sie, dass Sie sie kennen«, sagte Milo.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Koppel. »Falls sie es ist, hab ich sie nur ein paar Mal gesehen. Zwei Mal.« Er schaute wieder auf das Foto. »So wie sie hier aussieht, ist es schwer zu sagen …«
»Das kann der Tod einem antun.«
Koppel schluckte. Spießte mit der Gabel einen Streifen Speck auf, verlor ihn auf halbem Weg und sah zu, wie er unmittelbar neben seinem Teller landete. Er hob ihn mit den Fingern hoch, legte ihn neben
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