Im Sog der Angst
Büro war klein und funktional und roch wie ein Shirley Temple. Auf seinem Schreibtisch stand ein gerahmtes Foto von einer unscheinbaren Frau mit einem verdutzten Kleinkind.
»Meine Schwester in Iowa«, sagte Savarin. »Setzen Sie sich, machen Sie es sich bequem. Kann ich Ihnen was zu trinken kommen lassen?«
»Nein danke«, sagte Milo. »Sind Sie auch aus Iowa?«
Savarin lächelte. »Das ist lange her.«
»Von einer Farm?«
»Das ist richtig lange her.« Savarin schlüpfte hinter seinen Schreibtisch, setzte sich, rollte mit seinem Stuhl an die Wand und stützte sich mit einem Slipper auf einem Schubladengriff ab. An der Wand hingen mehrere Aktkalender mit dem Hungry-Bull-Logo und einer von einem Spirituosenhändler.
»Also dann«, sagte er und bildete ein Zelt mit seinen Fingern. Er wirkte wie fünfunddreißig, war gut gebaut, hatte verschwollene blaue Augen und einen angespannten Mund. Wenn der Mund aufging, blitzte eine Kolonne auffälligen Zahnwerks auf. Schneeweiße Kronen. Das Haarteil sah geliehen aus.
»Angie Paul«, sagte Milo.
»Angie?«, sagte Savarin. »Sie hat hier vor einiger Zeit gearbeitet. Ihr Künstlername war Angie Blue.«
»Die Fingernägel.«
»Die Fingernägel, das Tangahöschen, sie fuhr einen blauen Wagen. In ihrem Job ist die Konkurrenz groß, und die Mädchen glauben, sie bräuchten irgendwas Besonderes. In Angies Fall hätte ein hübscher Vorbau nicht geschadet, aber sie hat sich eingeredet, blau wäre der Knaller.« Savarin kicherte. »Was hat sie denn angestellt?«
»Wir suchen nach ihr, weil wir uns mit ihr unterhalten möchten«, sagte Milo. »Wann hat sie hier aufgehört zu arbeiten?«
»Vor vier Monaten.«
»Hat sie gekündigt, oder wurde sie gefeuert?«
»Sie hat gekündigt«, antwortete Savarin. »Sie hat sich Hals über Kopf in einen der Gäste - einen ihrer Stammkunden - verliebt.«
»Freundschaftlicher Umgang mit den Kunden?«
»Es ist gegen die Vorschriften, und wir tun, was wir können, um sie durchzusetzen. Aber die Mädchen, die hier arbeiten, halten nicht gerade viel von Vorschriften.«
»Wer war der Stammkunde?«
»Irgendein Typ mittleren Alters, der jede Woche zwei- bis dreimal auftauchte, dann kam er eine Zeit lang nicht, und dann war er wieder da.«
»Um Angie zu sehen?«
»Immer«, sagte Savarin. »Sie hat Glück gehabt.« Er fuhr sich mit der Hand über die Brust. »Manche Typen mögen das natürliche Aussehen. Bei all dem Silikon, das ich den ganzen Tag sehe, fahre ich voll ab auf ein Mädchen mit einem süßen Gesicht und einem natürlichen Busen. Aber die meisten Gäste?« Er schüttelte den Kopf. »Selbst Typen, die es gern natürlich haben, wollen irgendwas haben, und Angie war so gut wie flach. Ich wollte sie nicht einstellen, aber sie hatte gute Hüften und einen netten Hintern, bewegte sich gut beim Vortanzen. Außerdem hat sie mich zu einer Zeit erwischt, als ich knapp an Mädchen war.«
»Dieser Stammkunde stand wirklich auf sie.«
»Er kam nur an Tagen, an denen sie getanzt hat, hat sich direkt vor sie gesetzt und sie ununterbrochen angesehen. Sie begann, für ihn zu tanzen. Er hat ihr richtig viel Geld zugesteckt; ich nehme an, sie haben ein Verhältnis angefangen.« Savarin kratzte sich am Kopf. »Ich hab sie nie auf seinem Schoß tanzen sehen; das hätte mir zu denken geben sollen.«
»Inwiefern?«
»Er hatte keinen Schoßtanz nötig, weil er ihn nach Dienstschluss bekam.«
»Beschreiben Sie diesen Mann.«
»Mittleren Alters, ziemlich normal«, sagte Savarin. »Ich habe nie rausbekommen, wie er hieß, weil er immer bar bezahlte und allein dasaß, und als ich einmal zu ihm hinging, um ihn zu fragen, ob er irgendwas haben wollte, hat er mich abgewimmelt.«
»Was hat er gesagt?«
»Er hat nur mit der Hand gewedelt, als wollte er sagen, lass mich in Ruhe, ich muss mich konzentrieren. Das war mir nur recht, es war sein Geld. Er hat meistens alkoholfreie Sachen getrunken, aber ziemlich viel. Fünf, sechs Colas pro Abend. Mit Limette. Ab und zu wollte er etwas Rum drin haben.«
»Mittleren Alters«, sagte Milo.
»Ich würde sagen fünfzig. Eins achtzig, ein bisschen mager - ein bisschen krumm.«
»Krumm.«
»Vornübergebeugt, wissen Sie? Als ob irgendwas auf seinen Schultern sitzen würde.«
Milo nickte. »Was noch?«
Savarin sagte: »Mal sehen … graue Haare.«
»Quer über die Glatze gekämmt?«
Savarin zuckte zusammen. »So würde ich es nicht nennen. Nicht sorgfältig drübergekämmt und festgesprayt. Das sah eher so aus,
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