Im Sog der Angst
versucht?«
»Da hat keiner aufgemacht.«
»Dann ist sie wohl ausgegangen.«
»Geht sie oft aus?«
»Keine Ahnung«, sagte Ballou.
»Sie haben einen ziemlich guten Überblick von Ihrem Apartment aus«, sagte Milo.
»Wenn ich hier bin, übe oder lerne ich meistens. Außer es gibt eine Beschwerde. Und sie hat sich nie über irgendwas beschwert.«
»Hat sie Besuch?«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich habe sie wirklich nicht oft gesehen. Dreiundvierzig ist ganz hinten auf der Nordseite, im ersten Stock. Sie kann die Treppe an der Ecke hinunter zur Tiefgarage nehmen und kommen und gehen, ohne gesehen zu werden.«
»Demnach haben Sie sie nie mit jemand anderem gesehen?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Milo zeigte ihm das Foto des blonden Mädchens.
Ballou riss die Augen auf. »Sie sieht tot aus.«
»Sie ist tot.«
»Wow - also ist das hier wirklich eine ernste Sache. Wird sie in Schwierigkeiten geraten - die Stripperin? Ein großer Schlamassel, bei dem meine Eltern ausflippen, hat mir gerade noch gefehlt.«
Milo wedelte mit dem Foto. »Sie haben sie nie gesehen?«
» Nie. Was ist mit ihr geschehen?«
»Jemand hat sie ermordet.«
»Herr im Himmel … Meinen Sie, dass ich Grund habe, mir Sorgen zu machen?«
»Falls Angie Pauls Leiche verwesend in ihrem Apartment liegt, vielleicht.«
Chad Ballou wurde blass. »Scheiße - Sie meinen es ernst.«
»Haben Sie etwas dagegen nachzusehen?«
»Ich gebe Ihnen den Schlüssel«, sagte Ballou. »Sie sehen nach.«
»Juristisch gesehen«, erwiderte Milo, »würde das ein Problem darstellen. Sie als Hausverwalter haben ein Recht darauf, unter bestimmten Voraussetzungen Inspektionen vorzunehmen. Beispielsweise wenn eine Gasleitung undicht ist oder ein Kurzschluss entsteht. Irgendetwas, das mit der Instandhaltung zu tun hat.«
Ballou starrte ihn an. »Verwesend … klar, klar - kann ich nicht einfach die Tür aufmachen, und Sie sehen nach?«
»Gut.«
»Sollen wir es jetzt gleich tun?«
»Eine Sekunde noch«, erwiderte Milo. »Sagen Sie mir zuerst, wo Ms. Paul als Stripperin auftritt.«
»Natürlich, klar.«
Wir folgten Ballou in sein Apartment. Ordentlich, spartanisch, ohne persönliche Note, im vorderen Raum ein digitaler Fernsehapparat mit einem Sechzig-Zoll-Bildschirm neben drei klassischen Gitarren auf Ständern. Der Fernseher war auf MTV eingestellt. Eine Heavymetal-Band, volle Lautstärke. Ballou stellte den Apparat leiser und sagte: »Ich bin Eklektiker.«
In der Küche stand eine Hängeregistratur mit drei Zügen direkt neben dem Kühlschrank. Ballou zog den mittleren hervor und fischte einen schwarzen Aktenordner heraus, schlug ihn auf, blätterte ihn durch, sagte: »Da wären wir«, und hielt ein Blatt Papier hoch.
Angie Pauls Mietantrag. Sie hatte ein Nettoeinkommen von dreitausend pro Monat angegeben, und eine Randnotiz lautete: »Bestätigt.« Unter dem Rubrum Arbeitsstelle hatte sie aufgeführt: »The Hungry Bull Club, W.L.A. (exotische Tänzerin).« Mein Blick fiel auf den unteren Teil des Formblatts. Persönliche Referenzen.
1. Rick Savarin (Geschäftsführer, THB)
2. Christina Marsh (Kollegin)
Christa oder Crystal.
»Haben Sie ihre Referenzen überprüft?«, fragte ich.
»Sie hat mir die Scheckabschnitte gezeigt«, sagte Ballou.
»Was ist mit früheren Vermietern?«, fragte Milo. »Ist es nicht üblich, sie anzurufen?«
»Ich glaube«, erwiderte Ballou, »dass sie sagte, sie käme von außerhalb.«
»Woher?«
»Wird das eine Rolle spielen? Oh Mann.«
»Von woher außerhalb?«, fragte Milo.
»Ich erinnere mich nicht. Sie hat genug Geld verdient, um die Miete problemlos zu zahlen, und hat zwei Monatsmieten Kaution hinterlegt. Und wenn sie dreimal Stripperin war - sie war eine gute Mieterin.«
Milo faltete das Antragsformular und steckte es in die Tasche. »Sehen wir uns mal ihr Apartment an.«
Angie Pauls Apartment war in den Dimensionen dem Ballous ähnlich. Ebenfalls gut aufgeräumt, mit einem kleineren Fernseher, billigen Möbeln, Zierdecken aus Baumwolle, ein paar Drucken mit Rosen und Kätzchen an den Wänden. Der Duft eines schweren, moschusartigen Parfüms drang bis zur Eingangstür, wo ich neben Chad Ballou stand.
Milo verschwand im Schlafzimmer. Ballou klopfte mit dem Fuß auf den Boden und sagte: »So weit, so gut?«
Ich lächelte. Das tröstete ihn nicht.
Eine Minute später kam Milo wieder heraus und erklärte: »Nichts ist am Verwesen. Wenn Ms. Paul auftaucht, sagen Sie ihr nicht, dass wir hier waren, sondern
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