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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ich sollte Mr. Koppel nicht verdächtigen, seine Exfrau ermordet zu haben, weil sie immer noch gute Kumpel waren.«
    »Nein, ich … äh … ich weiß von gar nichts.« Der Mann rollte den Ärmel seines Pullovers wieder herunter.
    »Haben Sie eine Idee, wer Dr. Koppel getötet hat?«
    »Ich hab sie nicht gekannt, hab sie kaum mal gesehen.«
    »Außer um Sachen für sie in Ordnung zu bringen.«
    »Nein«, protestierte der Mann. »So was mache ich nicht, ich ruf die Installateure an oder wen sie braucht, und die bringen es in Ordnung. Ich bin hier nur zum Saubermachen. Meistens kümmere ich mich um Mr. Koppels Häuser im Valley.«
    »Aber heute sind Sie auf dieser Seite vom Berg.«
    »Ich gehe dahin, wo sie mich hinschicken.«
    »Sie.«
    »Mr. Koppels Firma. Sie haben überall Immobilien.«
    »Wer hat Sie heute hierher geschickt?«
    »Mr. Koppels Sekretärin. Eine von ihnen. Heather. Ich kann Ihnen die Nummer geben, dann können Sie es überprüfen.«
    »Vielleicht mach ich das«, sagte Milo. »Wie wär’s jetzt mit einem Ausweis?«
    Der Mann langte in eine der vorderen Hosentaschen und zog eine von einem Gummiband zusammengehaltene Rolle Geldscheine heraus. Er streifte das Gummiband ab, blätterte die Scheine durch - schmierige Einer und Fünfer - und zog einen Ausweis des Staates Kalifornien hervor.
    »Roland Nelson Kristof«, sagte Milo. »Ist das Ihre derzeitige Adresse, Roland?«
    »Yeah.«
    Milo überflog den Ausweis. »Sixth Street … das ist kurz hinter der Alvarado, stimmt’s?«
    »Yeah.«
    »Da gibt’s viele Übergangshäuser. Wohnen Sie in so einem?«
    »Yeah.«
    »Also sind Sie noch auf Bewährung.«
    »Yeah.«
    »Wie sind Sie an den Job bei Mr. Koppel gekommen?«
    »Mein Bewährungshelfer hat ihn mir besorgt.«
    »Wer ist das?«
    »Mr. Hacker.«
    »Aus dem Büro in Downtown?«
    »Yeah.«
    Milo gab ihm seinen Ausweis zurück. »Ich werde Sie durch den Computer laufen lassen, Roland. Weil ich einen Typ aus einem Übergangshaus, der in einem Gebäude arbeitet, wo jemand ermordet worden ist, überprüfen muss. Falls ich rausbekomme, dass Sie mich belogen haben, statte ich Ihrer Unterkunft einen Besuch ab, und Sie wissen, dass ich etwas finden werde, das Ihre Bewährungsauflagen verletzt, das wissen Sie genau. Wenn es also etwas gibt, was Sie mir sagen wollen, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt.«
    »Es gibt nichts«, erwiderte Kristof.
    »Sie hatten nie Probleme mit Frauen? Keine schlimmen Geschichten in der Abteilung?«
    »Niemals«, sagte Kristof. Bis zu diesem Moment war sein Vortrag tonlos, mechanisch gewesen. Jetzt hatte sich ein Hauch von Empörung eingeschlichen.
    »Niemals«, sagte Milo.
    »Niemals, nicht ein einziges Mal. Ich bin ein Junkie seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Ich tue niemandem was zuleide.«
    »Aber Sie hängen noch an der Nadel.«
    »Ich werde älter, und es wird besser.«
    »Was wird besser?«
    »Das Verlangen«, sagte Kristof. »Die Tage werden kürzer.«
    »Wie steht’s mit Ihrem Sexualleben, Roland?«
    »Ich hab keins.« Kristofs Erklärung war frei von Bedauern, fast fröhlich.
    »Es klingt so, als wären Sie darüber glücklich.«
    »Das bin ich auch«, entgegnete Kristof. »Sie wissen, was der Stoff damit anstellt.«
    »Kein Trieb«, sagte Milo.
    »Genau.« Kristof lächelte müde, wobei er braune Zähne mit Lücken dazwischen sehen ließ. »Noch was, worüber man sich keine Sorgen machen muss.«
    Milo notierte sich seine Adresse und erlaubte ihm, weiter staubzusaugen.
    Als wir die Treppe zum Psychologischen Service Pacifica-West hochgingen und das Dröhnen des Staubsaugers leiser wurde, sagte er: »Das ist mir vielleicht ein Gewohnheitsverbrecher.«
    »Krimineller Burnout«, sagte ich. »Wenn du in ein bestimmtes Alter kommst, ist aus dem Schlauch die Luft raus.«
    »Willst du raten, wie alt er ist?«
    »Fünfzig?«
    »Achtunddreißig.«
    Niemand saß im Wartezimmer. Dr. Larsens Lämpchen war aus, Dr. Gulls leuchtete rot.
    »Es ist zwanzig vor vier«, sagte ich. »Wenn seine Stunde fünfundvierzig Minuten hat, ist er bald draußen.«
    »Ich liebe deinen Beruf«, erklärte Milo. »Stell dir vor, Chirurgen könnten das tun. Drei Viertel des Blinddarms rausschneiden und die Rechnung schicken.«
    »Hey«, sagte ich, »wir nutzen die Zeit zum Ausfüllen der Krankenakte und zum Nachdenken.«
    »Oder wenn du Dr. Gull bist, um all den Kram wieder auf deinen Schreibtisch zu legen, den du runtergeworfen hast, nachdem du den Entschluss gefasst hattest, deine Patientin obendrauf

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