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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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für ein Alibi hält. Aber dass sie Gulls Wagen in der Mordnacht nicht vor Koppels Haus hat stehen sehen, heißt gar nichts. Es ist eine Zweiergarage, und er könnte den Wagen hineingefahren haben. Besonders nachdem er einmal erwischt worden war. Oder er hat den Wagen in einer gewissen Entfernung geparkt. Eine dritte Möglichkeit ist, dass er in dem Hotel eingecheckt und ein Taxi genommen hat.«
    »Zum Teufel«, sagte er, »er könnte zu Fuß gegangen sein, es sind nur anderthalb Meilen.« Wir liefen zum Auto. »Falls er ein Taxi gerufen hat, kann ich das feststellen lassen. Interessiert Gull dich so sehr wie mich?«
    »Er ist schlau genug, seine Spuren zu verwischen, wie es unser Mann getan hat. Und selbst wenn Patty Gull übertreibt, ist sein Erfolg bei Frauen nicht uninteressant. Außerdem sind er und Gavin nicht miteinander ausgekommen. Was ist, wenn mehr daran war als ein Fehlen therapeutischer Harmonie? Was ist, wenn Gavin etwas erfahren hat, das ihn zu einer Bedrohung für Gull machte?«
    »Er schläft mit einer Patientin«, sagte Milo. »Irgendwie bekommt Gavin das raus - indem er sich zwanghaft in der Umgebung der Praxis rumtreibt. Er redete davon, Skandale aufzudecken, und jetzt hat er einen gefunden. Aber warum sollte Gull dann Koppel umbringen? Sie war seine Geliebte.«
    »Vielleicht erstreckte sich ihre Affäre nicht auf Mord. Sie bekam heraus, was mit Gavin passiert war, und drohte Gull damit, ihn anzuzeigen. Oder die Affäre war für Gull nicht mehr von Nutzen. Oder beides.«
    »Du redest von einem wirklich kaltblütigen Mann.«
    »Nicht so kaltblütig«, sagte ich. »Ihm bricht schnell der Schweiß aus. Ich rede von einem Mann, dem Angst nicht fremd ist, der aber trotzdem gern Risiken eingeht. Jemand, der mit einer anderen Frau ein paar Straßen weiter ein Verhältnis hat, dabei erwischt wird und möglicherweise trotzdem wieder hingeht.«
    »Mary Lou droht, ihn anzuzeigen … Sie war mit Sicherheit nicht mitteilsam, als ich mit ihr sprach. Andererseits hatte Gull vielleicht auch noch nicht mit ihr Schluss gemacht. Falls er es ein paar Tage später tat, hätte er es mit zwei verschmähten Frauen zu tun gehabt … Was hältst du davon, dass Patty Gull eine Ähnlichkeit zwischen sich und dem toten Mädchen sah?«
    »Das kam mir nicht schlüssig vor«, sagte ich. »Ich nahm an, dass darin Patty Gulls Egoprobleme zum Ausdruck kommen, aber vielleicht ist sie da ja auf was gestoßen.«
    »Dass Gull seine Ehefrau symbolisch ermordet? Du hast den Mord ja von Anfang an als symbolischen Akt verstanden.«
    »Falls Gull der ist, den wir suchen, würde auch Flora Newsome da hineinpassen. Sie war Mary Lous Patientin, also hätte Gull Gelegenheit gehabt, sie zu sehen. Wenn man Floras Gefühl sexueller Unzulänglichkeit mit dem Bild, das Gull von sich als Schwanzschwenker hat, und dem Ansehen seiner Position kombiniert, hat man fruchtbaren Boden für eine rasche Verführung.«
    »Gull besorgt’s ihr, dann bringt er sie um. Die Patientin seiner Geliebten, wo du eben von Risiken gesprochen hast, die er eingeht.«
    »Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung war Flora schon mit Brian Van Dyne zusammen. Vielleicht kann Dr. Gull es nicht gut vertragen, wenn er zurückgewiesen wird. Sei es durch eine Patientin oder eine Geliebte.«
    »Ein böser Seelenklempner«, sagte er. »Der ganze Schweiß, den er vergießt. Sollte man bei jemandem, der so berechnend ist, nicht annehmen, dass er das im Griff hat?«
    »Es ist eine Sache, cool zu sein, wenn man die Zügel in der Hand hat, sei es bei einer Verführung oder einem Mord«, erklärte ich. »Den Schauplatz bestimmt, die Choreographie, das Ganze dominiert, weil man sich unterwürfige Partner ausgesucht hat. Wenn man Gegenstand einer polizeilichen Ermittlung wird, ändert sich das alles. Auf einmal findet er sich in der untergeordneten Position wieder.«
    »Mein Charme schüchtert ihn ein?«
    »Etwas in der Art.«
    »Also ist es am besten, den Mistkerl unter Druck zu setzen, ihn zu überrollen.«
    »Du sagst es«, erwiderte ich. »Nach der Stanislawski-Methode.«
    »Der Vorhang hebt sich!«, rief er. »Los geht’s!«
    Wir fuhren zu dem Gebäude, in dem sich Franco Gulls Praxis befand, parkten auf einem Stellplatz neben Gulls Mercedes und betraten das Haus durch die Hintertür. Ein Mann saugte den Teppichboden im Erdgeschoss. Alle sechs Türen von Charitable Planning waren geschlossen, und der Korridor verströmte neben dem alten Popcorngeruch den von Untätigkeit.
    Ich hatte das Gefühl,

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