Im Sog der Angst
jeden Tag. Es liegt auf meinem Weg, wenn ich einkaufen fahre, warum also nicht? Ich dachte mir, wenn ich Franco die Papiere zustellen lasse, kann ich genauso gut ein paar Beweise sammeln. Meine Freundin sagt, selbst bei einer einverständlichen Scheidung ist es umso besser, je mehr Material man hat.«
»Haben Sie seitdem seinen Wagen dort stehen sehen?«
»Nein«, antwortete sie. »Leider. Vielleicht tun sie es in der Praxis. Oder in einem Motel.« Sie kniff die Augen zu.
»Sie glauben«, fragte Milo, »dass sie ihre Affäre fortgesetzt haben, nachdem Sie sie ertappt hatten?«
Sie öffnete ruckartig die Augen. »Das ist Francos Art. Er fickt und fickt und fickt. Er ist krank.«
»Wie viele andere Frauen hat er …
»Nein«, sagte Patty Gull. »Darüber rede ich nicht mit Ihnen. Manche Dinge sind Privatsache.«
»Waren darunter auch Patientinnen?«, fragte Milo.
»Darüber weiß ich nichts. Francos Beruf war seine Domäne. Das war die Abmachung.«
»Die Abmachung?«
»Die Abmachung, die unserer Ehe zugrunde lag. Ich habe meinen Beruf und mein ganzes Leben für ihn aufgegeben und Kinder bekommen, und er hat für uns gesorgt.«
»Hat er ziemlich gut für Sie gesorgt?«
Sie machte eine müde Geste mit der Hand, die das dunkle, florale Zimmer einschloss. »Ganz gut.«
»Hübsches Zimmer.«
»Ich hab es selbst eingerichtet. Ich denke daran, Inneneinrichtung zu studieren.«
»Mrs. Gull, was die anderen Frauen angeht...«<
»Ich sagte doch, darüber rede ich nicht, okay? Was soll das denn auch? Ich weiß nicht, ob er seine Patientinnen gefickt hat. Ich weiß, dass er sie gefickt hat. Aber er hat die Schlampe nicht getötet. Ich hab Ihnen gesagt, er war in der Nacht nicht bei ihr. Und er hat nicht den Mumm dazu.«
»Wo war er in dieser Nacht?«
»In einem Hotel, ich habe vergessen … fragen Sie ihn doch, in welchem.«
»Woher wissen Sie, dass er dort war?«
»Weil er mich angerufen und mir seine Zimmernummer genannt hat, und ich hab ihn zurückgerufen, und er war da - der Laden an der Ecke Beverly und Pico, war früher ein Ramada, ich weiß nicht, wie es jetzt heißt.«
»Worüber haben Sie sich unterhalten?«
»Über nichts Erfreuliches«, sagte sie. »Und jetzt gehen Sie bitte. Ich habe einige Dinge zu erledigen.«
»Nehmen Sie keinen Anstoß an dieser Frage, Ma’am, aber wo waren Sie …«
»Ich hab die Schlampe auch nicht getötet. Schusswaffen jagen mir eine Heidenangst ein. Ich hab noch nicht mal eine berührt. Das ist eine Sache, die Franco und ich gemeinsam haben. Wir sind dafür, dass Schusswaffen verboten werden, und haben nur Verachtung dafür übrig, was sie aus unserem Land gemacht haben. Außerdem war Franco in der Nacht nicht bei ihr, warum sollte ich der Schlampe also einen Besuch abstatten?«
»Sie hatten einen Grund, auf Dr. Koppel wütend zu sein. Warum nicht ein bisschen mit ihr plaudern?«
»Um die Uhrzeit?«
»Sie sind um diese Uhrzeit mit dem Auto draußen rumgefahren.«
»Fünf Minuten hin und zurück«, sagte Patty Gull. »Nur um nachzusehen. Ich hab nach seinem Benz Ausschau gehalten, hab ihn nicht gesehen, bin zurück nach Hause gefahren, hab eine Ambien genommen und wie ein Baby geschlafen.«
Milo sagte nichts.
»Detective, wenn Wut als Motiv ausreichen würde, hätte ich haufenweise Frauen umgebracht, nicht nur sie.« Sie lachte, diesmal mit unverhohlener Freude. »Ich wäre einer von diesen Serienkillern.«
Das Bild des toten Mädchens kam zum Vorschein. »Kennen Sie sie, Ma’am?«
Patty Gulls trotzige Zuversicht geriet ins Wanken. Als sie den Mund öffnete, zitterte ihr Unterkiefer. »Ist sie … Sie ist tot, nicht wahr?«
»Ja. Kennen Sie sie?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Ist sie eine von Francos … Hat er...«<
»Im Moment wissen wir nicht, wer sie ist.«
»Warum zeigen Sie mir dann das Bild? Nehmen Sie’s weg, es ist schrecklich.«
Als Milo es gerade wieder wegstecken wollte, schoss ihre Hand hervor und hielt das Foto fest.
»Sie sieht aus wie ich. Nicht so hübsch, wie ich in dem Alter war. Aber ziemlich hübsch, sie ist ein hübsches Mädchen.« Sie legte das Foto in ihren Schoß und starrte es weiter an.
»Sie sieht tatsächlich aus wie ich. Es ist schrecklich.«
24
Als wir sie verließen, saß Patty Gull in dem Zimmer, das sie eingerichtet hatte.
Draußen sagte Milo: »Die Frau macht mir Angst. Steht mir der Schweiß auf der Stirn?«
»Sie hasst ihren Mann, ist aber sicher, dass er Koppel nicht getötet hat, und besorgt ihm, was sie
Weitere Kostenlose Bücher