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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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nachdenklich zu vögeln.«
    »Du Zyniker.«
    »Vielen Dank.«
    Um 15 Uhr 46 öffnete sich die Tür zum Wartezimmer, und eine attraktive Frau von Mitte vierzig mit gerötetem Gesicht kam heraus, während sie noch mit Franco Gull plauderte.
    Er war dicht hinter ihr und hielt ihren Ellbogen umfasst. Als er uns sah, ließ er seine Hand sinken. Die Frau spürte seine Anspannung, und die Farbe ihrer Wangen wurde noch intensiver.
    Ich erwartete, dass Gull zu schwitzen begann, aber er gewann seine Fassung wieder und führte die Frau zur Tür, wobei er sagte: »Dann bis nächste Woche.«
    Die Frau war brünett, gut gepolstert und schwamm in einem Meer von Kaschmir. Sie fuhr sich durchs Haar, schenkte uns ein sprödes Lächeln und ging hinaus.
    »Schon wieder?«, fragte Gull. »Was ist jetzt?«
    »Wir haben Ihre Frau kennen gelernt«, erwiderte Milo.
    Langes Schweigen. »Ich verstehe.«
    Milo lächelte.
    Gull sagte: »Patty macht eine schwere Zeit durch. Sie wird darüber hinwegkommen.«
    »Sie klang aber nicht so.«
    Gull strich seine Haare nach hinten. »Kommen Sie doch rein. Ich habe die nächste Stunde frei.«
    »Oder zumindest fünfundvierzig Minuten davon«, murmelte Milo vor sich hin.
    Gull hörte ihn nicht. Er hatte sich umgedreht und schritt auf die drei Sprechzimmer zu. Die Türen zu Albin Larsens und Mary Lou Koppels waren geschlossen.
    Gulls Tür stand offen. Er hielt inne, bevor er eintrat.
    »Meine Frau … hat einige Probleme.«
    »Macht ganz den Eindruck«, sagte Milo. »Vielleicht könnte sie eine Therapie gebrauchen.«

25
    Gulls Sprechzimmer hatte zwei Drittel der Größe von Mary Lou Koppels und war überraschend einfach eingerichtet. Keine Paneele aus Vogelaugenahorn, nur beige Farbe an den Wänden. Ein dünner, beigefarbener Teppichboden ließ die Grenzen des Raums verschwimmen. Sofas und Sessel aus gebrochen weißem Leder waren locker arrangiert. Koppel hatte Briefbeschwerer aus Kristall und indianische Töpferware ausgestellt. Franco Gulls einziges Zugeständnis an Dekoration waren billig gerahmte fotografische Drucke von Tieren und ihren Jungen.
    Ich ertappte mich dabei, wie ich nach dem Aroma von Sex schnupperte, roch aber nur eine süßliche Mischung aus Parfums.
    Gull machte sich auf einem Sofa breit und forderte uns auf, Platz zu nehmen. Bevor wir richtig saßen, erklärte er: »Was Sie über Patty wissen müssen, ist, dass sie mit einigen schweren Problemen zu kämpfen hat.«
    »Ein treuloser Ehemann?«, sagte Milo.
    Gulls Lippen formten ein schmerzliches Semikolon. »Ihre Probleme gehen weit darüber hinaus. Ihr Vater war äußerst abusiv.«
    »Ah«, sagte Milo. »Ah« war ein ständiger Witz zwischen uns. Der alte Therapeutentrick. Er drehte den Kopf zur Seite, damit Gull ihn nicht zwinkern sehen konnte. »Das ganze Gerede über Mrs. Gull. Ehefrauen kommen wohl nicht in den Genuss der Schweigepflicht.«
    Gulls Augen funkelten. Ein kleiner Tropfen trat aus dem Schatten einer gewellten, grau melierten Stirnlocke hervor.
    Ich hatte Recht gehabt: Wenn man ihm das Heft aus der Hand nahm, spielte sein Adrenalin verrückt.
    »Ich sage Ihnen, was mit Patty los ist, weil Sie sie in einem Kontext sehen müssen.«
    »Das soll heißen, dass ich nicht alles glauben sollte, was sie mir erzählt.«
    »Das hängt davon ab, was sie Ihnen gesagt hat.«
    »Zum einen«, sagte Milo, »glaubt sie, Sie hätten Dr. Koppel nicht getötet.«
    Gull war darauf vorbereitet gewesen zu protestieren. Er veränderte seine Haltung. »Da sehen Sie mal, selbst jemand, der mir nicht freundlich gesinnt ist, weiß, dass ich niemals so etwas tun würde. Ich besitze nicht mal eine...«<
    »Sie hassen Schusswaffen«, sagte Milo. »Das hat sie uns auch erzählt.«
    »Schusswaffen sind eine abscheuliche Verirrung.«
    »Mrs. Gull hat den Eindruck, sie hätte Ihnen ein Alibi für die Nacht von Dr. Koppels Ermordung verschafft.«
    »Da sehen Sie mal«, wiederholte Gull und setzte sich etwas aufrechter hin.
    »Yeah, ich sehe vorzüglich«, sagte Milo. »Die Sache ist nur die, Dr. Gull, was Ihre Frau für ein Alibi hält, halten wir nicht dafür.«
    »Was? Oh, kommen Sie, Sie machen Witze.« Schweißperlen traten an Gulls Haaransatz hervor. »Warum sollte ich ein Alibi brauchen?«
    »Wollen Sie nicht wissen, was Mrs. Gull uns erzählt hat?«
    »Eigentlich nicht.« Theatralischer Seufzer. Dann: »Na schön, erzählen Sie’s mir.«
    »Mrs. Gull ist gegen zwei Uhr früh an Dr. Koppels Haus vorbeigefahren, um nach Ihrem Wagen Ausschau zu halten.

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