Im Sog der Gefahr
er es nicht getan hatte. Ohne den Blick zu senken, drückte sie auf die Taste, um den Anruf anzunehmen. »Hi, Dad. Nein, mir geht’s gut. Stinkwütend, aber gut.«
Als Finn sich umdrehte, um aus dem Zimmer zu gehen – wobei sich das feuchte Handtuch sexy an seinen Hintern schmiegte –, legte sie die Hand über das Mikro. »Hey«, rief sie.
Er warf einen Blick über die Schulter.
»Danke.«
Er nickte. Dann hörte sie, wie er ins Bad zurückging, und konzentrierte sich wieder auf ihren Vater.
»Wie geht’s dir wirklich?« Die Stimme ihres Vaters war tief und voll wie heiße Schokolade und erfüllte sie wie immer mit Wärme.
»Mir tut alles weh, aber bis auf meinen Stolz ist nichts ernsthaft verletzt.«
»Tja, damit müssen wir alle früher oder später fertigwerden.« Er machte eine Pause. Ihr Vater war gut darin, auch ohne Worte eine Menge zu sagen. »Die Unfallstelle wird zurzeit untersucht, und wir versuchen, den Schuldigen zu fassen. Glaubst du, dass es etwas mit dem Tötungsdelikt zu tun hat, an dem du arbeitest?«
Holly spähte aus dem Fenster in die undurchdringliche Dunkelheit. »Es scheint naheliegend, aber du hast mir schließlich selbst beigebracht, auf die Fakten zu achten, statt voreilige Schlüsse zu ziehen.«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich bin nicht glücklich damit, Hobbit. Nicht nur, weil einer meiner Officers angegriffen wurde. Dass du meine Tochter bist, macht es mir noch schwerer, mich zurückzulehnen und mich an die Vorschriften zu halten. Es war schon schlimm genug, dass du letzten Monat niedergestochen wurdest …« Ihr Vater war schon immer der ehrlichste Mensch gewesen, den sie kannte. »Am liebsten würde ich selbst rüberfliegen und jemandem den Kopf abreißen. Aber stattdessen muss ich hinter einem Schreibtisch sitzen und diese Aufgabe anderen überlassen.«
»Dad, ich kann schon auf mich aufpassen …«
»Das weiß ich. Aber«, er schluckte schwer, »nach dem Tod deiner Mutter bist du alles, was ich noch habe. Und ich will verdammt sein, wenn du mir von irgend so einem Knilch weggenommen wirst.«
»Dazu wird es nie kommen.«
»Staff Sergeant Furlong schlug vor, dass du dich von dem Fall zurückziehen solltest, bis es dir besser geht.«
Das glaub ich ihm aufs Wort.
Holly schluckte ihre scharfe Erwiderung hinunter. »Mir fehlt nichts, was ein paar Stunden Schlaf nicht wieder richten könnten.«
»Hm.« Glücklicherweise wechselte er das Thema. »Wer ist der Kerl, der dein Kindermädchen spielt?« Als ob er Finns Hintergrund nicht längst zigmal überprüft hätte.
»Finn Carver ist ein ehemaliger Soldat der Special Forces, der mich ein paar Minuten nach dem Unfall gefunden und ins Krankenhaus gebracht hat. Dort wollte man mich nur entlassen, wenn jemand bei mir blieb, um den Arzt zu rufen, falls ich Hilfe brauchte. Die Command Group hat zu arbeiten, und er hat sich freiwillig gemeldet.«
»Er hat Len Milbanks Leiche gefunden.«
»Richtig. Und er hat mich zum Wrack des Schiffs gebracht, damit ich mir den Tatort ansehen konnte.«
»Allein?«
»Ja, Dad. Allein. Und ich bin immer noch am Leben.«
»Besteht die Möglichkeit, dass er es war, der dich von der Straße abgedrängt hat?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ich bin sogar hundertprozentig sicher, Dad. Und das kannst du auch dem Deputy Commissioner sagen.«
»Klugscheißer.« Aber er lachte.
»Hab ich von dir gelernt.«
Wieder dieses Schweigen. Holly beschloss, abzuwarten, damit ihr nicht doch noch etwas Dummes herausrutschte.
»Ich habe mit seinem früheren Vorgesetzten gesprochen.«
Natürlich hatte er das.
»Der Mann sagt, Carver sei ein hervorragender Soldat gewesen, einer seiner besten. Du weißt, dass ich größten Respekt vor unseren Streitkräften habe, oder?«
Da lag ein ›aber‹ in seinen Worten. »Natürlich.«
Die Stille wurde vorsichtig. »Geh einfach sicher, dass ihr auf derselben Seite steht, bevor du ihm zu sehr vertraust – verstanden?«
Ein peinlicher Schauer überlief sie. »Ich würde nie etwas Unmoralisches tun, Sir.«
»Mensch, Holly. Ich rede nicht von Sex mit dem Mann – obwohl ein Vater über so etwas gar nicht nachdenken möchte, Herrgott. Er ist ehemaliger Soldat der Special Forces. Er ist zu Dingen fähig, die sich die meisten Polizisten nicht einmal vorstellen können. Vergiss das nicht. Bleib auf der Hut, solange du nicht mehr über ihn weißt.«
Sie sagte ihrem Vater nicht, dass sie Finn vertraute. Das klang dumm und naiv, nachdem sie ihn erst so kurz
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