Im Sog der Gefahr
»Er wollte Ihnen nichts tun.«
»Das klingt, als wäre ich ein kompletter Schwachkopf.« Thom warf die Hände in die Luft.
»Manchmal führst du dich ja auch auf wie ein verdammter Affe.« Finn schrie beinahe.
Holly war ganz seiner Ansicht.
Thom presste die Lippen aufeinander, senkte den Blick auf den Teppichboden und wandte sich dann ab. »Ich gehe wohl besser nach Hause. Gute Nacht.«
Stirnrunzelnd sah Holly dem Mann hinterher – oder besser gesagt, sie hätte es getan, wenn sie ihr Gesicht hätte bewegen können. Alles war wund und geschwollen.
»Wie geht es Ihnen?« Finn kam an ihr Bett. Der Geruch der Seife, die er benutzt hatte, stieg in die Luft, und sie war sich nur allzu deutlich der Tatsache bewusst, dass er bloß ein fadenscheiniges Handtuch vom Nacktsein entfernt war. Sie war Frau genug, um neugierig zu werden. Und das war gar nicht gut.
Ihr Herz schlug unangenehm hart gegen ihre Rippen. Wann hatte sie zum letzten Mal auch nur die leiseste Spur sexueller Anziehungskraft gespürt? Leider wusste sie genau, wann das gewesen war, und das reichte ihr, um für den Rest ihres Lebens genug von Männern zu haben. Aber dieser Kerl hatte etwas an sich …
»Holly?«, fuhr er auf und sah sie mit seinen blauen Augen bohrend an.
»Mir geht’s gut.« Weil ihre Stimme so heiser klang, reichte er ihr ein Glas Wasser vom Nachttisch. Er war nicht nur sexy, sondern auch nett und mitfühlend. Definitiv ein Herzensbrecher. Und sie wollte ihres in einem Stück behalten. Erleichtert griff sie nach dem Glas und blickte sich im Zimmer um, wobei sie es vermied, Finn anzusehen, der einfach nur dastand und unter den glitzernden Wassertröpfchen auf seiner gebräunten Haut so gut wie nackt war.
»Sie sehen beschissen aus«, teilte er ihr mit.
Fast hätte sie sich an ihrem Wasser verschluckt. Das sollte wohl ausreichen, um alle Fantasien davon, sich nackt mit ihm im Schlamm zu wälzen, aus ihrem Kopf zu verbannen. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Nachttisch zurück.
»Aber verdammt viel besser, als es in Anbetracht der Umstände sein müsste.«
Jemand hatte versucht, sie umzubringen. Wenn sie daran dachte, wie der SUV jetzt zugerichtet war, hatte nicht viel gefehlt, dass dieser Jemand Erfolg gehabt hätte. »Habe ich mich schon dafür bedankt, dass Sie mich ins Krankenhaus gebracht haben?«
»Sie haben mir lebenslange sexuelle Gefälligkeiten versprochen.«
»Ha. Ha. Scherzkeks.« Aber ihr Herz wummerte wie verrückt. Sie wollte Finn nicht mögen. Und ganz bestimmt wollte sie nicht mehr von ihm wollen. »Mir gefällt, was Sie aus dieser Wohnung gemacht haben.« Um den Gedanken zu entkommen, die wie ein gefährlicher Cocktail durch ihren Kopf schwirrten, sah sie sich das Zimmer an. In die Holzwände waren zwei Tische eingelassen. Sie selbst lag in einem Einzelbett, und auf der gegenüberliegenden Seite stand noch ein Etagenbett. Finn schien sich wenig aus materiellen Dingen zu machen. Keine Bilder an den Wänden, nichts als schlichte, pragmatische Leere. Sie fragte sich, wie sein Schlafzimmer wohl aussehen mochte, und bremste den Gedanken sofort wieder ein. Blut schoss ihr in die Wangen, allerdings glaubte sie kaum, dass ihm das auffallen würde, so übel, wie ihr Gesicht zugerichtet war. Beide Augen waren zugeschwollen, ihre Nase pulsierte wie eine Warnblinkanlage. »Wie schlimm sehe ich wirklich aus?«
»Als wären Sie mit einem Schwergewichtschampion über zehn Runden gegangen.« Als er eine Grimasse zog, verrutschte sein Handtuch um zwei Zentimeter. Gebannt von den dunkelblonden Haaren, die von seinem Bauchnabel aus nach unten führten, konnte Holly den Blick nicht wieder abwenden.
»Dann muss ich das Fotoshooting für die französische
Vogue
wohl absagen.«
Er lachte. Entspannt und geradezu lächerlich ungezwungen. Er war fast nackt und sie in seinem Bett.
Na großartig!
Einfach
großartig
!
Als sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, versuchte sie, sich im Bett aufzusetzen, ohne auf ihre protestierenden Rippen zu achten. Dieser Kerl war immer noch Bestandteil ihres Falls. Sie durfte sich keinen Fantasien über seinen unglaublich muskulösen, glatten, definitiv scharfen Körper hingeben.
»Die Blockhütten sind eigentlich für Studenten im Aufbaustudium und den Besuch von Professoren gedacht. Ich bin das ganze Jahr über hier, aber wenn dem Labor der Platz ausgeht, lasse ich Leute hier wohnen.« Als er die breiten Schultern zuckte, spannten sich die Muskeln unter seiner
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