Im Sog der Gefahr
kannte. Wenn sie sich irrte, wollte sie nicht wie ein Idiot dastehen, schließlich hatte sie sich schon einmal geirrt. Sie war in den Sog der Gefahr geraten, aber sie hatte nicht vor, darin umzukommen.
Ihr Vater stieß ein tiefes, enttäuschtes Knurren aus. »Wenn ich selbst vorbeikommen und dich pflegen könnte, würde ich es tun. Im Moment stecke ich mitten in einer Besprechung mit einem Haufen FBI -Agenten von der anderen Seite der Grenze und bin nur kurz rausgeschlüpft. Ich könnte versuchen, jemanden von der Agentur zu bekommen, die deine Mutter betreut hat …« Die Worte riefen in ihr den üblichen Schmerz über den Verlust wach. Tausend Erinnerungen entfalteten sich zwischen ihnen.
»Nein.« Sie ließ die Fingerspitzen über das kalte Metall ihrer Waffe gleiten. »Die gesamte RCMP wird heute Nacht ein Auge auf Finn Carver haben, und das weiß er. Mir wird nichts passieren.«
»Wenn mir nicht mindestens fünfzehn verschiedene Berichte vorlägen, dass der Mann vertrauenswürdig ist, würde ich nicht einmal daran denken, dich dortzulassen. Das weißt du, oder?«
»Ich bin kein Kind mehr.« Sie lächelte. »Ich hab dich lieb, Daddy.«
Wieder blies er einen tiefen Seufzer ins Telefon. »Ich dich auch, Hobbit.«
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, legte sie tief in Gedanken versunken auf.
Es gab noch einen weiteren guten Grund, über Nacht hierzubleiben. Finns Vertrauen zu gewinnen war eine gute Möglichkeit, tiefer in die Geheimnisse dieses Dorfs vorzudringen. Sie hatte nicht vor, dem guten Aussehen oder dem Beschützercharme dieses Goldjungen zu verfallen. Sie war diszipliniert genug, um etwas Schönes zu bewundern, ohne der Versuchung zu erliegen. Das war sie doch, oder?
Für sie war nur eins wichtig, und das war die Suche nach Gerechtigkeit, selbst wenn das Opfer ein zweitklassiger Gangster war, der wahrscheinlich genau das bekommen hatte, was er verdiente. Aber es hatte seinen Grund, dass Justitia blind war und Polizisten keine Gerichtsverhandlungen führten. Und dieser Grund hatte viel mit Männern wie Len Milbank und Finn Carver zu tun.
8
Als sie gerade ihren Polizeigürtel anlegte, klopfte Jeff Winslow an ihre Zimmertür. »Herein.«
Irgendwann im Laufe der Nacht waren ihre Siebensachen aufgetaucht – einschließlich einer neuen Uniform. Da sie wie eine Tote geschlafen hatte, ging sie davon aus, dass einer der Männer die Sachen vorbeigebracht hatte, und sie wollte lieber nicht nachfragen, wer von ihnen sie schnarchen gesehen hatte. Sie musste sich mit äußerster Vorsicht bewegen, um ihre gequetschten Rippen zu schonen. Wenigstens hatte sie dank der Schmerzmittel nicht mehr so sehr das Gefühl, jemand hätte sie in der Mitte durchgesägt.
Sie würde das durchstehen.
»Vielen Dank, dass Sie zu der Besprechung hergekommen sind. Ich brauchte ein paar Stunden Tiefschlaf, um wieder auf die Beine zu kommen.«
»Sie sollten noch gar nicht wieder arbeiten.« Als Jeff ihre Blutergüsse betrachtete, bildeten sich mitfühlende Falten um seine Augen. »Sind Sie sicher, dass Sie sich dem gewachsen fühlen?«
»Es sieht schlimmer aus, als es ist.«
Wenn es doch nur so wäre.
»Gehen wir ins Wohnzimmer und bereiten alles vor.«
Finn hatte –
Gott sei Dank
vollständig bekleidet – eine Kanne Kaffee für sie aufgesetzt, die gerade zischend durchlief und ein köstliches Aroma verbreitete. Holly hatte ihn kurz gesehen, bevor er aus dem Haus gegangen war. Dabei hatte sie es geschafft, ihre Hormone in Schach zu halten, sodass sie ihn nun mit etwas mehr Abstand betrachten konnte. Sicher, er war umwerfend und mutig, aber mit solchen Alphamännern hatte sie es jeden Tag zu tun. Normalerweise hatte das keine Wirkung auf sie.
Seine Ritterlichkeit war überraschend aufregend.
Im Geiste versetzte sie sich einen Tritt.
Der Autounfall musste sie ziemlich erschüttert und ein bisschen verletzlicher gemacht haben, als sie es sonst war, aber heute hatte sie alles wieder unter Kontrolle. Er hatte Toast bereitgestellt, und so bereitete sie sich eine Scheibe zu, während Jeff seinen Laptop aufklappte und den Projektor einschaltete. Die Corporals Messenger, Chastain und Malone kamen hereinmarschiert; der Boden bebte unter ihren Stiefeln, als sie die Stufen hinaufstiegen und durch die Tür traten. Auf allen Gesichtern zeichnete sich Müdigkeit ab.
Weil Holly spürte, dass die anderen ihre Einsatzfähigkeit anhand ihres übel zugerichteten Gesichts bemaßen, hob sie abwehrend die Hand. »Ich weiß, ich sehe
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