Im Sog der Sinnlichkeit
sich für ihre Anteilnahme mit einem lauten Schnarchen. Der Geruch nach Brandy stieg ihr in die Nase, sie hockte sich auf die Fersen und drehte sich nach ihrem Gemahl um. „Er ist sturzbetrunken, hat sich den Kopf angeschlagen, blutet wie ein Schwein, und der Teppich ist ruiniert. Dabei dachte ich, wir müssen Brandon retten, nicht Benedick.“
Lucien de Malheur, ihr Gemahl, der wegen seiner alles andere als rühmlichen Gepflogenheiten den Beinamen Skorpion führte, betrat, auf einen Gehstock gestützt, das Zimmer und betrachtete seinen Schwager mit unbewegter Miene. „Wie sind die Mächtigen doch gefallen“, murmelte er. „Steh auf, Liebling, du ruinierst dir dein schönes Kleid mit seinem Blut. Überlass ihn mir. Die Rohans sind ja berühmt für ihren Dickschädel. Ich denke nicht, dass er ernstlich verletzt ist. Glaub mir, der Kerl hat schon einiges ausgehalten. Sein Brummschädel wird ihm mehr zu schaffen machen als die kleine Platzwunde.“
Miranda wandte sich wieder ihrem Bruder zu, auf den sie sich immer verlassen hatte, Besorgnis und Unmut kämpften in ihr. „Bist du sicher?“
„Absolut sicher. Sprich mit seinem tattrigen Butler. Er soll ein paar kräftige Diener rufen, die deinen Bruder ins Bett bringen. Ich halte es für unnötig, einen Doktor zu holen. Die Wunde muss lediglich gesäubert und verbunden werden. Neigen deine Brüder dazu, ihren Mageninhalt von sich zu geben, wenn sie zu viel getrunken haben?“
„Meine Brüder trinken gewöhnlich nicht zu viel. Es muss etwas passiert sein. Benedick hat sich stets im Griff und betrinkt sich nicht sinnlos. Es muss etwas sehr Schlimmes passiert sein.“
„Die Dinge sind nie so schlimm, wie sie scheinen. Und deshalb sind wir ja auch hier, Liebste. Wie ich von Salfield hörte, trifft der Satanische Bund sich an diesem Samstag in Kent, und ihm zufolge gibt diese neu gegründete Bruderschaft sich nicht mehr mit den harmlosen Lustbarkeiten ab, wie ich sie in Erinnerung habe.“
„Harmlos?“, entgegnete Miranda mit spitzer Stimme und funkelte Lucien aus ihren grünen Augen gefährlich streitlustig an. „Ich entsinne mich allerdings eines höchst unerfreulichen Vorfalls …“
„Bitte, nicht schon wieder!“, flehte Lucien schaudernd. „Habe ich für meine Sünden nicht genügend gebüßt?“
„Nein!“ Sie warf ihm eine Kusshand zu, ehe sie sich wieder ihrem Bruder zuwandte. Seine Gesichtsfarbe war gesund, er atmete tief und gleichmäßig, und die Blutung war zwar schrecklich anzusehen, schien aber zum Stillstand gekommen zu sein. Lucien hatte recht: Benedick war lediglich sternhagelvoll. Sie kam etwas mühsam auf die Beine, nahm das Taschentuch entgegen, das ihr Gemahl ihr reichte, und wischte sich das Blut von den Händen. „Ich mache mich auf die Suche nach Brandon.“
„Ich habe gehört, dass der alte Mann sagte, er sei ausgezogen.“
„Richmond“, korrigierte sie ihn. „Und er weiß mit Sicherheit mehr. Er weiß immer alles. Du kümmerst dich um dieses Häufchen Elend.“ Sie musterte ihren Lieblingsbruder mit einem vernichtenden Blick. „Und ich mich um wichtigere Dinge.“
Diesmal ist mir der Brandy schlecht bekommen, dachte Benedick, während er immer wieder gegen den Brechreiz ankämpfte. Nicht genug, dass Melisande Carstairs ihm ständig im Kopf herumspukte, jetzt hatte er auch noch die grauenvolle Vorstellung, sein verhasster Schwager halte ihm die Schüssel unter die Nase. Eine schlimmere Strafe, als sich dem Skorpion in solch einer elenden Verfassung zu zeigen, gab es nicht. Gottlob war Benedick immer noch betrunken und wusste außerdem ganz genau, dass seine Schwester und ihr Ehemann ihren öden Landsitz am Ende der Welt im Lake District kaum je verließen und dass der Mistkerl es nicht wagen würde, seine vernarbte hässliche Visage in seinem Haus zu zeigen.
Benedick schlief, wachte auf, musste sich wieder übergeben, verlangte Brandy, den er nicht bekam, und hatte erneut eine Schreckensvision, in der sein Schwager sich mit Richmond, diesem Verräter, unterhielt, und dann schlief er wieder ein.
Als er erwachte, war es taghell, welcher Tag es war, war ihm völlig schleierhaft. Sein Brummschädel brachte ihn schier um, das grelle Licht stach ihm in die Augen, ihm war immer noch speiübel, sein Hemd war durchgeschwitzt, alle Knochen taten ihm weh. Mühsam richtete er sich auf, kämpfte gegen den Schwindel an, um festzustellen, dass er in einem der Gästezimmer lag. Dumpf dämmerte ihm, dass drei Diener ihn nach oben
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