Im Sog der Sinnlichkeit
beängstigend willensstarke Frau. Das war auch nötig, um mit seinem charmesprühenden Vater umgehen zu können. Und Adrian Rohan hatte sich irgendwann in einen liebevollen und aufmerksamen Ehemann verwandelt, was er allerdings tunlichst zu verschleiern suchte.
Wie der Vater, so der Sohn. Alle Welt hatte die männlichen Rohans stets für lasterhafte Müßiggänger gehalten, aber sobald sie die richtige Frau gefunden hatten, wurden sie zwar keine Tugendbolde, aber sie veränderten sich immerhin in liebevolle und pflichtbewusste Ehemänner. Selbst Alistair, der Cousin seines Vaters und einer der Gründerväter des Satanischen Bundes, hatte sich mit seiner englischen Frau nach Irland zurückgezogen und führte dort ein beschauliches Leben; er hatte eine Schar Kinder mit ihr gezeugt und betrieb mit Leidenschaft seine Pferdezucht.
Francis Rohan, Benedicks Großvater, hatte zu seiner Zeit reichlich Stoff für Legenden geliefert, was dieser sich kaum vorstellen konnte, wenn er an den gütigen alten Mann dachte, den er als Junge vergöttert hatte. Auch Francis Rohan hatte Benedicks füllige Großmutter stets mit liebevollen Blicken bedacht und sie bei jeder Gelegenheit zärtlich gestreichelt, was Adrian Rohan peinlich war, obwohl er mit Benedicks Mutter ähnlich umging.
Benedick war bestrebt gewesen, in die Fußstapfen seiner Altvorderen zu treten; er hatte sich in seinen Jugendjahren die Hörner abgestoßen, keinem Vergnügen entsagt und sogar an einigen Festen des in Auflösung begriffenen Satanischen Bundes teilgenommen, bevor er sich Hals über Kopf in Annis Duncan verliebt hatte. Mit ihr wollte er bis ans Ende seiner Tage glücklich sein – ganz nach dem Vorbild, das ihm die Männer seiner Familie vorgelebt hatten.
Seine Generation war allerdings mit einem Fluch behaftet. Seine geliebte Annis war gestorben, und er konnte sich inzwischen kaum noch daran erinnern, wie sie ausgesehen hatte. Seine zweite Ehe war ein Unglück gewesen, und das bestätigte seinen Verdacht, dass die Rohans vom Pech verfolgt wurden. Sein Bruder Charles hatte eine bigotte Xanthippe geheiratet; sein Bruder Brandon, schwer verwundet aus Afghanistan heimgekehrt, versuchte mit Rauschgift und Brandy die Gräuel des Krieges zu vergessen und schien jeden Lebensmut verloren zu haben. Seine Schwester Miranda hatte ihren Entführer geheiratet, der zu allem Übel ein berüchtigter Meisterdieb war! Und sie besaß auch noch die Unverfrorenheit, glücklich mit ihm zu sein.
Benedick lehnte sich im Sessel zurück und beäugte argwöhnisch die Flasche Brandy. Er trank seit Stunden, um andere quälende Gedanken zu verdrängen. Es war besser, über seine Familie nachzudenken, als diese Erinnerungen zuzulassen, die ihm schwer im Magen lagen und sein Herz und seine Seele zerfraßen. Vorausgesetzt, er hatte ein Herz und eine Seele, woran er mittlerweile zweifelte. Er griff nach der Flasche und schenkte sich ein, wobei weniger im Glas landete, als er verschüttete. Vielleicht sollte er mit dem nächsten Schluck warten, bis er wieder besser zielen konnte, um den Dienstboten weniger Arbeit zu machen.
Wieso er sich Gedanken über seine Dienstboten machte, war ihm unbegreiflich. Aber auch daran war der Einfluss seiner Mutter schuld. Wieso hatte er keine Mutter gehabt, die ihre Kinder von tüchtigen Kinderfrauen erziehen ließ? Dann würde er sich wenigstens nicht mit so lächerlichen Dingen abgeben wie sein Hauspersonal korrekt zu behandeln, Verantwortung für seine Geschwister zu übernehmen und ähnlichem Unsinn.
Und er müsste sich nicht darum scheren, seine scharfe Zunge im Zaum zu halten. Er war ein niederträchtiger, kaltschnäuziger Mistkerl! Das hatte er heute morgen wieder einmal bewiesen, als er seinen inneren Dämon von der Kette ließ und wie ein barbarischer Krieger über sein Opfer hergefallen war.
Jedoch war er kein barbarischer Krieger, seine Waffen waren Worte, nicht die Streitaxt und das Schwert. Und seine Worte von heute Morgen waren nichts als Lügen, mit ihnen hatte er regelrecht auf die Frau, mit der er die ganze Nacht das Bett geteilt hatte, eingepeitscht, so lange, bis sie völlig zerstört gewesen war.
Er konnte immer noch ihr Gesicht sehen, unbeweglich und ruhig, Leere im Blick ihrer blauen Augen. Er hatte es geschafft, Charity Carstairs Selbstachtung zu zerrütten, er war bis in ihr Herz und ihre Seele gedrungen und hatte sie vernichtet.
Er hatte das Glas geleert, stellte er fest, und konnte ihr Gesicht immer noch sehen. Er setzte die
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