Im Sog der Sinnlichkeit
Flasche an und trank einen tiefen Schluck, spürte, wie ihm der Brandy wie Feuer in der Kehle brannte. Er sollte sich einen Vorrat an schottischem Whisky zulegen, der hätte eine bessere Wirkung als französischer Cognac. Warum waren die Briten nicht fähig, einen Schnaps zu brennen, der einen Mann umhauen konnte?
Vielleicht sollte er seinen Bruder nach der Opiumhöhle fragen, die dieser aufsuchte, um sich zu betäuben. Aber Brandon hatte das Haus verlassen und würde nicht wiederkommen, wenigstens nicht, solange diese gottverdammte Bruderschaft ihn in den Fängen hatte. Aber von seiner Rauschgiftsucht würde er nie loskommen, wenn Benedick ihn im Stich ließ.
Er stieß einen Schwall gotteslästerlicher, an Obszönität kaum zu überbietender Flüche aus in der grauenvollen Befürchtung, dass Brandon unrettbar verloren war. Was immer er unternehmen würde, er könnte gegen den Sog der Selbstzerstörung, in den Brandon geraten war, nicht ankämpfen, genauso wenig wie er seine Schwester aus ihrer Ehe mit diesem schrecklichen Monstrum befreien konnte.
Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche, ließ sich im Dunst seiner Trunkenheit treiben. Da gab es noch etwas, woran er versuchte, nicht zu denken, etwas, das sich immer wieder in seine Gedanken drängte und ihn quälte. Es hatte etwas mit Charity Carstairs zu tun. Melisande. Ein schöner Name für eine schöne Frau. Cremig helle Haut. Herrliche Brüste. Süße Laute, wenn er sie nahm, exquisite Zuckungen, wenn sie zur Erfüllung kam, verwundert aufgerissene Augen beim Höhepunkt. Er hatte es ihr gezeigt, nicht wahr? Er hatte ihr beigebracht, was sie versäumte. Und dann hatte er gründlich dafür gesorgt, dass sie nie wieder Geschmack daran finden würde, wenn Grausamkeit der Preis war, den sie dafür bezahlen musste. Er schluckte den bitteren Geschmack in seinem Mund hinunter.
Warum hatte er das getan? Er verstand sich glänzend darauf, Frauen loszuwerden, an denen er das Interesse verloren hatte, ohne sie zu beleidigen. Aber vielleicht war das sein Problem. Er war so verdammt besessen von ihr, verrückt nach ihr, dass er nach einer Nacht glühender Leidenschaft in Panik geraten war.
Ein Gentleman betrank sich nicht sinnlos, er behandelte Frauen höflich und zuvorkommend und kannte keine Angst. Er hatte auf der ganzen Linie versagt und alles verdorben. Seine Mutter würde entsetzt die Hände ringen. Sein Vater würde ihn verprügeln. Nein, würde er nicht. Er hatte ihm nicht einmal als Junge den Hintern versohlt, auch wenn er guten Grund dafür gehabt hätte. Die Enttäuschung seiner Mutter wäre Strafe genug.
Melisandes Gesicht geisterte durch die Nebelschwaden seiner Trunkenheit. Ihr süßer Mund, so weich, so verletzlich, so unschuldig. Die Heilige der King Street. Und er hatte sie verführt! Er sollte sich eigentlich nicht schuldig fühlen. Dennoch fühlte er sich so schuldig. Unsinn! Er sehnte sich nach ihrem Mund. Er gierte nach viel mehr. Die Zeit war zu kurz gewesen, um alle Köstlichkeiten der Wollust zu genießen. Und er wollte Dinge mit ihr tun, die ihn nie interessiert hatten. Er wollte jedes Fleckchen ihrer seidigen Haut mit dem Mund erforschen. Er wollte ihre Lustschreie hören. Er wollte … er wollte …
Die Flasche entglitt seinen schlaffen Fingern, fiel auf den kostbaren Aubussonteppich und rollte zum Kamin. Er bückte sich danach, verlor das Gleichgewicht, der Sessel kippte um, und er stieß mit dem Kopf gegen etwas Hartes. Vielleicht hämmert mir der Schlag wieder den Verstand in den Kopf, dachte er benommen.
Wenn er schon auf dem Boden lag, konnte er auch ein paar Minuten schlafen. Der Teppich war schön weich. Auf dem Boden hatte er Melisande nicht genommen, oder? Aber er hatte es vorgehabt.
Zur Hölle! Sie spukte ihm immer noch im Kopf herum. Er wollte nach der Flasche greifen, aber sie war zu weit weg. Etwas Warmes, Nasses tropfte von seiner Stirn. Er tastete danach und schaute blinzelnd auf seine Hand.
Blut. Er hasste Blut! Ein weiterer Fauxpas im Benehmen eines Gentleman: Der Anblick von Blut verursachte ihm Übelkeit.
Und endlich verlor er das Bewusstsein auf dem Teppich in der Bibliothek.
28. KAPITEL
M iranda Rohan de Malheur, Countess of Rochdale, stürmte mit einem spitzen Schrei des Entsetzens ins Zimmer und sank neben der leblosen Gestalt ihres ältesten Bruders auf die Knie. Sein Gesicht war blutüberströmt, der Teppich war von Blut durchtränkt. Verzweifelt schlang sie die Arme um den vermeintlich Toten.
Er bedankte
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